Søren Kierkegaard ringt mit der Religion

Søren Kierkegaard schuf auf den ersten Blick ein Oeuvre, das auf den ersten Blick eher literarisch als philosophisch anmutet. Er wurde in einer protestantisch-pietistischen Familie in Kopenhagen geboren. Dort verbrachte er bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1855 sein ganzes Leben. Ger Groot stellt fest: „Søren Kierkegaard hat sein Leben lang gegen die Staatskirche seiner Zeit polemisiert. Ebenso wie Friedrich Nietzsche focht er einen Kampf mit der Religion aus. Aber anders als Nietzsche distanzierte er sich nicht von ihr.“ Er suchte vielmehr nach einer authentischen Religion, in der der menschlichen Sehnsucht nach Erlösung der gebührende Ernst zukam. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

Ist ewige Seligkeit möglich?

Aus diesem Grund gilt Søren Kierkegaard vielfach als primär theologischer Denker. Jedoch gewinnt seine Philosophie im Laufe seines unentwegten Ringens mit der Religion eine Überzeugungskraft, die sich im 20. Jahrhundert gänzlich von diesem religiösen Ausgangspunkt zu lösen beginnt. Was ist das Kernproblem, das Søren Kierkegaard nicht zur Ruhe kommen lässt? Er formuliert es folgendermaßen: „Kann es einen geschichtlichen Ausgangspunkt geben für ein ewiges Bewusstsein? Inwiefern vermag ein solcher mehr als bloß geschichtlich zu interessieren? Kann man eine ewige Seligkeit gründen auf ein geschichtliches Wissen?“

Die Problematik, die Søren Kierkegaard damit anschneidet ist offensichtlich. Wie lässt sich die Kluft überbrücken zwischen der historischen, kontingenten Existenz des Menschen einerseits und dem Absoluten andererseits? An dem Absoluten hat er teil, an der Ewigkeit der Wahrheit, die für ihn noch immer die christliche Wahrheit ist. Die Antwort auf diese Frage fällt bei Søren Kierkegaard negativ aus. Diese Kluft lässt sich nicht überbrücken, folgert er ganz im Einklang mit der protestantischen Tradition.

Hegel gliedert alles in ein großes System

Der Protestantismus ist schon immer von einem radikalen Bruch zwischen dem Ewigen und dem Zeitlichen ausgegangen. In diesem Bruch liegt die Tragik des menschlichen Daseins. Ger Groot weiß: „Denn was hier auf dem Spiel steht, ist für Søren Kierkegaard das Bedeutsamste in einem Menschenleben: die Frage nach ewiger Erlösung oder Verdammnis.“ Sein bedeutendster Gegenspieler ist Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der Philosoph, der alles denkt und die ganze Wirklichkeit, angefangen vom Geringsten bis zu Gott, in ein einziges großes System eingliedert.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel sucht das Allgemeine. „Die moderne Spekulation hat alles aufgeboten, damit das Individuum objektiv über sich selbst hinauskomme“, schreibt Søren Kierkegaard. Hegel argumentiert als Systemdenker auf eine allgemeingültige, dem Individuum äußerliche Weise. Und damit verfehlt er das, was das Individuum am tiefsten angeht. Nämlich die Subjektivität, in der sich nach Søren Kierkegaards Auffassung die wirkliche Wahrheit verbirgt. Quelle: „Und überall Philosophie“ von Ger Groot

Von Hans Klumbies