Die Menschen sind nicht zu ewiger Skepsis verurteilt

An die Möglichkeit einer unerschütterlichen, absoluten Gewissheit begann manch ein Philosoph und Wissenschaftler im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts immer stärker zu zweifeln. Ger Groot fügt hinzu: „Darin zeichnete sich schon die Krise ab, die die Moderne dauerhaft kennzeichnen sollte. Das Band zu einem „absolutum“, das sich als weniger verlässlich erwies als angenommen, wurde durchschnitten.“ Aber was trat an seine Stelle? Sind die Menschen dazu verurteilt, fortwährend in Skepsis und Unsicherheit umherzuirren? Eine andere Frage lautete: „Lässt sich denn noch ein absoluter Punkt finden, in dem unser Leben verankert werden kann und sich unsere Erkenntnis ihrer selbst versichern kann?“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

Die Philosophie muss ihr Vorgehen an der Geometrie ausrichten

Nein, die Menschen sind nicht zu ewiger Skepsis verurteilt, sagt René Descartes, nachdem im 17. Jahrhundert einige Jahrzehnte ins Land gegangen sind. Es ist die Wissenschaft selbst, die den Weg zu einem neuen Fundament weist, worauf sich das Wissen mit absoluter Sicherheit gründen kann. Diese Wissenschaft ist die Mathematik, der erfolgreichste Wissenschaftsbereich in diesem Jahrhundert. Wie seit jeher orientiert sich zu jener Zeit die Philosophie bei ihrem Versuch, es endlich zu einer „echten“ Wissenschaft zu bringen, an diesem Vorbild.

Dementsprechend führt René Descartes, als der brillante Mathematiker, der er auch ist, die Mathematik in die Philosophie ein, um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden, in der das Wissen inzwischen gelandet zu sein scheint. Auf die Frage, wie man zu einem absolut verlässlichem Wissen kommt, antwortet René Descartes: „Indem wir unser Vorgehen an der Geometrie ausrichten.“ Denn diese sucht nach einem formalen und sicheren Ausgangspunkt, um anschließend von dort aus über Ableitungsregeln immer wieder neue wahre Aussagen beziehungsweise Thesen zu generieren.

Die Erkenntnisse sind durch ein wunderbares Band miteinander verknüpft

Ger Groot erläutert: „Auf diese Weise baut die Mathematik ihre Erkenntnis immer weiter aus, wobei die formalen Ableitungsregeln dafür sorgen, dass die absolute Sicherheit des Ausgangspunkts auch in den darauffolgenden Schritten stets erneut zur Gänze erhalten bleiben.“ Das müsse auch die Philosophie als Fundament des vernünftigen Denkens tun. René Descartes schreibt: „Die Erkenntnisse nämlich, welche die Fassungskraft des menschlichen Geistes nicht übersteigen, sind alle durch ein so wunderbares Band miteinander verknüpft und lassen sich auseinander durch derart notwendige Folgerungen ableiten.“

René Descartes fährt fort: „Wenn die Philosophie sich an diese geometrische Vorgehensweise hält, dann kann sie sicher sein, dass ihre Behauptungen zutreffen und ihr Wissen daher ebenso gut fundiert ist, wie es die Menschen im Mittelalter von ihrem Wissen annahmen.“ Damit allerdings zieht zwischen den antiken und den modernen Denkern unmerklich eine gewisse Differenz ein. Denn bei René Descartes steht nicht mehr in erster Linie die Wahrheit der wissenschaftlichen Behauptungen zur Diskussion, vielmehr dreht sich alles um die Sicherheit, mit der diese getroffen werden können. Quelle: „Und überall Philosophie“ von Ger Groot

Von Hans Klumbies