Jeder zweite Deutsche glaubt inzwischen, dass er Laktose nicht verträgt. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Landesvereinigung Milch in Nordrhein-Westfalen im August dieses Jahres. Ohne eine verlässliche Diagnose über ihre Laktoseunverträglichkeit ernähren sich immer mehr Bundesbürger mit Diätnahrung. In Wirklichkeit ist aber eine Ernährung ohne Laktose und Gluten nur in den seltensten Fällen notwendig. Wie die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten berichtet, leiden nur etwa zehn Prozent der Deutschen unter Laktoseintoleranz. Die Betroffenen können den Milchzucker wegen einer genetischen Mutation nicht gut verdauen. Schon nach einem Glas Kakao werden sie von Blähungen, Übelkeit, Schmerzen oder Durchfall heimgesucht.
Die Unverträglichkeit von Laktose wird von einem Gendefekt hervorgerufen
Das Phänomen der echten Unverträglichkeit von Laktose nimmt in Deutschland allerdings nicht zu. Denn bei dieser Krankheit handelt er sich nicht um eine Allergie, sondern um eine genetische Abweichung, die rezessiv vererbt wird. Die Symptome treten bei den Nachkommen also nur auf, wenn sowohl Vater als auch Mutter an Laktoseunverträglichkeit leiden. Bei den Erkrankten arbeitet das Enzym Laktase, das für die Spaltung des Milchzuckers im Dünndarm verantwortlich ist, fehlerhaft.
In einem solchen Fall gelangt die Laktose unverdaut in den Dickdarm, wo sie von Bakterien abgebaut wird. Dabei entstehen Gase, die zu den oben genannten Leiden führen. In Milchprodukten ohne Laktose hat eine gentechnisch hergestellte künstliche Laktase den Abbau des Milchzuckers bereits vorweggenommen. Die Süße der Milch nimmt dadurch zu, weil aus einem Molekül Milchzucker zwei andere Zuckermoleküle, die ähnlich süß sind, entstehen.
Ein einfacher Atemtest offenbart die Laktoseintoleranz
Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt: „Selbst die Betroffenen aber müssen nicht komplett auf Milchprodukte verzichten oder zwingend auf laktosefreie Lebensmitten zurückgreifen. Sie können meist eine gewisse Menge an Laktose vertragen.“ Sie weist darauf hin, dass in reifem Käse und den meisten Joghurts ohnehin kein Milchzucker mehr vorhanden ist. Für gesunde Menschen sind Produkte ohne Laktose laut Andreas Stallmach, Gastroenterologe an der Universität Jena, völlig unnötig.
Der Wissenschaftler erklärt: „Wenn ein Mensch keine Laktoseunverträglichkeit hat, ergibt es keinen Sinn, Milchzucker zu meiden.“ Dennoch kaufen circa 40 Prozent der Bundesbürger inzwischen regelmäßig Lebensmittel ohne Laktose. Silke Restemeyer kann diese Entwicklung beim besten Willen nicht nachvollziehen. Sie sagt: „Gluten- und laktosefreie Lebensmittel sind ja auch noch teurer und oft nicht so schmackhaft wie normale Produkte.“ Wer glaubt, Laktose nicht vertragen zu können, kann dies mit einem einfachen Atemtest, den die Krankenkasse sogar bezahlt, untersuchen. Mit ihm kann festgestellt werden, ob es nach dem Genuss von Milch im Magen wirklich gärt.
Von Hans Klumbies