Für viele Menschen sind Bilder die Sprache des Denkens

Es gibt zwei Bereiche des Bewusstseins: einen äußeren und einen inneren. Der äußere umfasst Wahrnehmungen der Außenwelt und des eigenen Körpers. Der innere besteht aus Erinnerungen und Gedanken, die sich ein Mensch macht. Natürlich kann man Dinge, an die man sich erinnert oder die man sich ausgedacht hat, im übertragenen Sinn ebenso wahrnehmen und überprüfen wie die Außenwelt. David Gelernter stellt fest: „Für viele Menschen ist visuelles Denken – einschließlich der Erfindung von und den Umgang mit abstrakten Bildern – ausgesprochen wichtig. Aber das visuelle Denken ist kaum erforscht.“ Für viele Menschen sind Bilder die Sprache des Denkens. David Foulkes schreibt: „Träumen ist die bruchlose Fortsetzung unseres wachen reflexiven Vermögens, in Bildern zu denken.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

Die meisten Tagträume stellen sich unwillkürlich ein

Aber die meisten Philosophen und womöglich auch die meisten Psychologen fühlen sich mit Sprache als Medium der Gedanken wohler als mit Bildern. Jeder von den zwei Bereichen des Bewusstseins kann einem Menschen Gegebenheiten in vielerlei Formen zeigen. Wenn ein Mensch zum Beispiel träumt, ist Realität gleichbedeutend mit innerer, halluzinierter Realität. Die Tagträume und Phantasien repräsentieren eine innere Realität, die kontinuierlich immer mehr Aufmerksamkeit fordert und lebhafter wird.

Manchmal entschließen sich Menschen zu Tagträumen, zu anderen Zeiten entscheiden sich die Tagträume für sie. Der Psychologe Jerome Singer, ein Pionier der Tagtraumforschung, gelangte zu dem Befund, dass die meisten Tagträume sich unwillkürlich einstellen. Sie übernehmen die Kontrolle über den Geist, ohne dass man sie eingeladen hätte. David Gelernter fügt hinzu: „Ein Tagtraum führt uns häufig von dem Weg ab, den wir ursprünglich eingeschlagen haben.“ Dabei verliert man die bewusste Kontrolle über seine Gedanken.

Der Verstand ist nur der Sklave der Affekte

Dabei gibt man die Kontrolle an die unbewussten Teile des Geistes ab. Das Tagträumen stellt nicht nur eine angenehme Ablenkung dar, sondern auch einen Verlust an Kontrolle. Natürlich sind nicht alle Tagträume angenehm. In Jerome Singers Studien löste die Verarbeitung der Tagträume „Interesse oder Freude bzw. Angst oder Unbehagen“ aus. Wenn man nach und nach die Kontrolle über seinen Geist verliert, drängen sich mit größerer Wahrscheinlichkeit auch unangenehme Gedanken ins Bewusstsein.

Die Emotionen sind für den Geist und das Denken in vielerlei Hinsicht von grundlegender Bedeutung. Gefühle setzen beispielsweise das Denken in Gang, weil sie über die menschlichen Bedürfnisse und Wünsche bestimmen, aber auch über Befürchtungen, Ängste und Hass. Gefühle lenken den Geist. Deshalb schrieb der große britische Empiriker David Hume: „Der Verstand ist nur der Sklave der Affekte, und soll es sein.“ Eine weitere wichtige Eigenschaft der Gefühle liegt darin, dass sie Persönlichkeit schaffen. Quelle: „Gezeiten des Geistes“ von David Gelernter

Von Hans Klumbies