Die ökologische Krise öffnet neue Wege

Für Katia Henriette Backhaus ist es auffällig, dass der Begriff der Freiheit in den Debatten der „green political theory“ kaum vorkommt. Das ist möglicherweise mit der Entwicklung zu erklären, die diese Strömung seit ihrem Aufkommen genommen hat. Anhand der Kernthemen der „environmental discourses“ seit 1970, die John Dryzek in einer diskursanalytischen Untersuchung ausgemacht hat, wird deutlich, dass sich Freiheit als eigenständiges Thema in diesen Debatten nicht durchsetzen konnte. Es gibt vier Hauptthemen, die John Dryzek jeweils den Kategorien radikal oder reformistisch, sachlich oder einfallsreich zugeordnet hat. Dazu gehören Lösungsstrategien für Umweltprobleme, die Frage des Überlebens, Nachhaltigkeit und grüner Radikalismus. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main im Bereich der politischen Theorie promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

Es gibt zwei Stränge in der Umwelttheorie

Die beiden erst genannten Diskurse drehen sich um die Suche nach Reformmöglichkeiten. Sie verlassen damit kaum den Rahmen der vorgefundenen Situation. Dagegen weisen die Diskurse um Nachhaltigkeit und radikale ökologische Ideen eine Haltung auf, die in der ökologischen Krise auch eine Chance für neue Wege sieht. Den besten Anknüpfungspunkt für die Frage nach einer nachhaltigen Freiheit sieht Katia Henriette Backhaus in der Kategorie des „green radikalism“.

John Dryzek ordnet dem „green radikalism“ auch die Auseinandersetzungen verschiedener politischer Strömungen zu. Diese entwerfen je eigene Visionen einer ökologischen politischen Zukunft. Andrew Dobson dagegen beschreibt die Entwicklung der „green political theory“ in zwei Hauptphasen, die er „waves of theorizing“ nennt. Den Verlauf der ersten Welle in den 1970er und 1980er Jahren prägten ihm zufolge Erklärungen und Analysen politisch-ideologischer Aspekte der „environmental politics“. Der Versuch, eine eigenständige ökologische Ideologie zu skizzieren, hat vor allem im englischsprachigen Raum einen eigenen Strang der Forschung begründet.

Die ökologische Krise verschärft sich

Zugleich forderten Denker aus verschiedenen ideologischen Ecken radikale politische und theoretische Neuentwürfe. Dabei ging es selten um Geringeres als um die Forderung nach einem umfassenden politischen und wirtschaftlichen Systemumbruch. Es kam jedoch zu einer gewissen politischen Ernüchterung, als die Theoretiker feststellten, dass nicht der geforderte Umbruch, wohl aber eine stete Verschärfung der ökologischen Krise in Sicht war. Vertreter der zweiten Welle ökologischer politischer Theoriearbeit widmeten sich daher stärker der Auseinandersetzung mit einzelnen politischen Konzepten.

Dabei gewannen einige klassische Themen der politischen Theorie und Philosophie neue Aufmerksamkeit. Dazu zählen die Vertragstheoretiker und ihre Thesen vom Naturzustand. Als Beispiele dienen John Lockes Überlegungen zum Ressourcenverbrauch oder John Stuart Mills frühe Argumentation für einen „steady state“. Auch die vergleichsweise junge Gerechtigkeitstheorie von John Rawls spielt eine wichtige Rolle. Hinzu kommen Reformansätze, die innerhalb der liberalen und rechtsstaatlichen Demokratietheorie operieren. Quelle: „Nachhaltige Freiheit“ von Katia Henriette Backhaus

Von Hans Klumbies