Freiheit bedeutet das Fehlen von Widerstand

Eva von Redecker hat den Begriff „Bleibefreiheit“ ins Leben gerufen. Sie meint damit, die Freiheit zu bleiben. Das ist natürlich paradox. Bleibezwang kann keine Freiheit sein. Schließlich ist Freiheit in der westlichen Tradition untrennbar mit Bewegungsfreiheit verknüpft. Thomas Hobbes begründet mit seiner Schrift „Leviathan“ Mitte des 17. Jahrhunderts die moderne politische Philosophie. Er erklärte etwa: „Freiheit bedeutet genau genommen das Fehlen von Widerstand, wobei ich unter Widerstand äußere Bewegungshindernisse verstehe.“ Gut einhundert Jahre später hieß es beim britischen Rechtsgelehrten William Blackstone weiterhin, dass individuelle Freiheit in „Lokomotion“, also Fortbewegungsfähigkeit bestünde. Die mechanische Vorstellung von Freiheit als ungehinderter Bewegung scheint vielleicht etwas simpel, aber unterliegt auch komplexeren Konzeptionen. Eva von Redecker ist Philosophin und freie Autorin. Sie beschäftigt sich mit der Kritischen Theorie, Feminismus und Kapitalismuskritik.

Man verbriefte die Freiheit als Menschenrecht

Wenn man Freiheit vom autonomen Willen ableitet, besteht sie im Entscheidungsspielraum, innerhalb dessen der Wille sich bewegt. Eva von Redecker erläutert: „Liberale Freiheit ist stets auf ein räumliches Imaginäres angewiesen, sie ist gerade eine geometrische Figur. Rechtlich abgezirkelte Sphären, innerhalb derer uns nichts einschränken soll als dieselben Rechte anderer, geben ihr den nötigen Rahmen.“ Und schon bevor man Freiheit als Menschenrecht revolutionär verbriefte, ließ sie sich als Ortswechsel erfahren.

Frei ist, wer beispielsweise aus Ägypten ins Gelobte Land aufbricht. Frei ist die Stadt, in der die Fron aufgehoben, frei sind die Nordstaaten, in denen die Sklaverei verboten ist. Nachdem man dann das vermeintlich gleiche Recht auf Freiheit einführte, stand und fiel sein Wert mit dem Anspruch auf Freizügigkeit. Nämlich dem Recht, seine Heimat zu verlassen, ohne ein Abzugsgeld zu zahlen. Schließlich war die Reisefreiheit einer der Hebelpunkte, der das Ende des undemokratischen Staatssozialismus einläutete.

Freiheit ist Bewegungsfreiheit

Eva von Redecker wiederholt: „Freiheit ist Bewegungsfreiheit. So gesehen bildet das Bleiben geradezu den Nullpunkt der Freiheit.“ Gegen jede Abschiebung von Geflüchteten steht jedoch die Forderung nach sicherer Bleibe. Auch die Befreiungsbewegung sexueller und geschlechtlicher Minderheit betont die Beharrung: „Wir sind da. Wir sind pervers. Gewöhnt euch dran.“ Aber dass das Bleiben eine Forderung ist, macht aus ihm noch keine Freiheit. Geht es hier nicht eher um Sicherheit? Tatsächlich gibt es seit einigen Jahren kein wirksameres Manöver, um progressive Forderungen auszuhebeln, als die Berufung auf Freiheit. Eva von Redecker erklärt: „Der zentrale Wert der 68er-Generation befeuert nun die Kampagnen von Giorgia Meloni, Jair Bolsonaro und Donald Trump.“

Eva von Redecker sieht das nicht als einfache Übernahme. Es ist eher das offene Zutagetreten eines Bruchs, der den liberalen Freiheitsbegriff von Anfang an durchzieht. Einerseits verspricht die moderne Freiheit, dass Menschen im Prinzip alle Eigentümer sein können und über bestimmte Abschnitte der Welt ungehindert herrschen dürfen. Andererseits verpflichtet diese Freiheit Menschen darauf, den Ansprüchen der anderen nicht ins Gehege zu kommen. Quelle: „Bleibefreiheit“ von Eva von Redecker

Von Hans Klumbies

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