Die Weisheit ist mit der Freiheit verbunden

Frédéric Lenoir bringt oftmals die Weisheit mit der Freiheit in Verbindung. Inwiefern kann die Weisheit einen Menschen freier machen? Frédéric Lenoir denkt dabei nicht an politische Freiheiten – wie beispielsweise Bewegungsfreiheit, Meinungs- oder Redefreiheit –, sondern an innere Freiheit. Frédéric Lenoir weiß: „Man kann zahlreihe politische Rechte haben und doch Sklave seiner Leidenschaften oder seiner Glaubensmaximen und irrigen Ideen sein.“ Das kann man von zahlreichen Weisen lernen. Insbesondere von Baruch de Spinoza, dessen Hauptwerk „Ethik“ einen echten Weg in Richtung Freiheit weist. Baruch de Spinoza glaubte jedoch nicht an die Freiheit der Entscheidung, das heißt an eine natürliche Fähigkeit, eine Entscheidung ganz ohne inneren Zwang zu treffen. Jedoch glaubte er an die Befreiung von der Sklaverei der Leidenschaften. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

Baruch de Spinoza ist ein großer Befreier

Man könnte sagen, dass die Menschen für Baruch de Spinoza nicht frei geboren werden, da sie vollständig durch ihre unbewussten Affekte konditioniert sind. Diese sind oft genug an unpassende Vorstellungen geknüpft. Frédéric Lenoir ergänzt: „Allerdings können wir frei werden, indem wir daran arbeiten, unsere Vorstellungen, unsere Glaubenssätze, unsere Begierden und Emotionen zu korrigieren.“ Darin besteht der ganze Weg zur inneren Befreiung, den er vorschlägt.

Baruch de Spinoza ist ein großer Befreier, in politischer und geistiger Hinsicht zugleich. Politisch, weil er der erste Denker der Aufklärung ist, der ein demokratisches System vorschlägt. Dieses gründet auf der Trennung von politischer und religiöser Macht und schützt zudem die Meinungs- und Redefreiheit. Geistig, weil er im Gegensatz zu weiteren Philosophen der Aufklärung, die ihm im 18. Jahrhundert folgen, daran erinnert, dass es für den Menschen gleichermaßen wichtig ist, seinen Geist aus dem Gefängnis unpassender Vorstellungen wie auch aus den daraus folgenden passiven Affekten zu befreien.

Menschen gleichen Schauspielern in einem Theaterstück

Indem die Menschen lernen, besser zu denken, gelingt es ihnen, ihre Begierden auf Personen oder Dinge zu lenken. Diese lassen sie wachsen und bereiten ihnen dauerhafte aktive Freude. Frédéric Lenoir fügt hinzu: „Auf diese Weise befreien wir uns auch von der Sklaverei der Leidenschaften. Diese ist weit gefährlicher, weil sie uns nicht bewusst ist – und wir werden freie Menschen.“ Baruch de Spinoza hat wunderbar klar und deutlich sowohl in philosophischen als auch in psychologischen Begriffen die Problematik der Freiheit erklärt.

Bereits die Meister der Antike hatten dies auf ähnliche Weise skizziert. Die Stoiker sagen zum Beispiel, dass die Menschen Schauspielern in einem Theaterstück gleichen. Nicht sie haben entschieden, ob sie diese oder jene Rolle spielen. Doch steht es ihnen frei, gut oder schlecht zu spielen, Freude oder Unmut beim Spielen zu empfinden. Für sie, wie auch für Epikur, liegt die wahre Freiheit im Inneren. Sie manifestiert sich in der Art, wie Menschen auf Ereignisse reagieren. Quelle: „Weisheit“ von Frédéric Lenoir

Von Hans Klumbies