Die Schönheit schafft sich begehbare Träume

Mitte der 1960er-Jahre prägte der französische Philosoph Michel Foucault in einem Radiovortrag einen Begriff, der für die Schönheit eine entscheidende Bedeutung hat: die „Heterotopie“. Die Gesellschaft schaffe sich, zu allen Zeiten und in allen Kulturen, abgegrenzte Orte, in denen Utopien real werden. Frank Berzbach ergänzt: „Utopien sind von der Gegenwart losgelöste, ausgedachte Provinzen. Diese liegen oft in der Zukunft und sie sind Ausdruck von Wünschen. Aber Heterotopien sind die daraus hervorgehenden realen Räume.“ Die Menschen sind nicht geduldig und warten auf die Rückkehr ins Paradies oder eine bessere Zukunft. Daher schafft sich die Schönheit reale Orte; begehbare Träume von Räumen. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

Es gibt keine ortlose Schönheit

Die Schönheit ist eine Quelle der Lebenskunst, sie ist eine Aktivität und sie hat ihre Orte. Kinder schaffen solche Orte allein durch die Kraft ihrer Fantasie. Auch Erwachsene lieben solche Plätze. Es sind bei ihnen oft Anderswelten, in denen, wie in den Gärten, die Natur gezähmt und somit gefahrloser wird. Heterotopien existieren in ganz verschiedener Form. Frank Berzbach nennt Beispiele: „Es können Orte sein, die dafür da sind, dass man der Toten gedenkt oder sich Gemälde ungestört anschaut.“

Es sind Welten mit eigener und anderer Zeit, anderen Gepflogenheiten. Sie erfüllen Wünsche, bedienen Illusionen oder kompensieren einen Mangel – je nach Lage der Dinge. Es gibt keine ortlose Schönheit und sie entsteht oft zwischen den Menschen, Dingen und Räumen als anziehende Atmosphäre. Die Gegenwart kennt eine ganze Reihe von begehbaren Räumen, in denen die Schönheit entsteht. Orte, die garantieren oder die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sich starken atmosphärischen Wirkungen auszusetzen.

Grobheiten gegen die Orte der Schönheit nehmen zu

Wer übt, schult seine Wahrnehmung, wer handelt formt die Welt. Und wer einen Ort betritt, der unterwirft sich den Regeln einer umgrenzten Sonderwelt. Manche der schönsten Plätze sind bedroht durch vulgäres Verhalten, weil grobe Menschen resistent gegen Atmosphären und sublime Stimmungen sind. Ihnen ist jede Situationssensitivität fremd. Das ist kein neues Phänomen und manchmal nur ein Mangel an Informationen. Die Grobheiten gegen die Orte der Schönheit nehmen dennoch leider zu.

Gerade unsensible Menschen leiden an zu großer und vor allem falscher Souveränität. Gerade die, die Regeln gar nicht erlernt haben oder verstehen, meinen, sich darüber hinwegsetzen zu dürfen. Fehlende Demut ist aber nur selten ein Zeichen von Mündigkeit. Meist ist sie einfach nur Selbstüberschätzung. Da indirekte Appelle oft nicht ausreichen, gibt es an Orten der Schönheit oft praktische Vorkehrungen. Aber aus diesem Grund kennt zum Beispiel der Kölner Dom die „Domschweizer“, die ganztägig durch den heiligen Ort streifen und Besucher auf ungebührliches Verhalten aufmerksam machen. Quelle: „Die Form der Schönheit“ von Frank Berzbach

Von Hans Klumbies

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