Nur die Natur, oder vielmehr die Kulturlandschaft, die viele Menschen oft für die ursprüngliche Natur halten, kann von sich aus „schön“ sein. Meist allerdings ist die Natur vor allem bedrohlich und erhaben. Frank Berzbach weiß: „Natur ist nur dann schön, wenn sie zugänglich wird, wie es die Geschichte der Gärten, die Gartenkunst erzählt. Im Garten begegnen wir der Natur auf eine aushaltbare Weise wieder.“ Die ungefilterte Begegnung mit ihr – auf den Weltmeeren, in der Wüste oder im Hochgebirge – hat oft wenig mit Schönheit zu tun, sondern ist eher eine Erfahrung überwältigender Demut. Man kommt sich klein und unbedeutend vor. Der Mensch ist ein Mängelwesen. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.
Gartenarbeit erfordert Seherfähigkeiten
Doch einen Garten kann man anlegen, kultivieren, zur Philosophie erheben und darin glücklich und unglücklich sein. Er ist das Ergebnis der Umweltgestaltung und keineswegs ein Zurück zur Natur. Es gibt Kreative, die wagen sich gestaltend in die Natur und lassen sich ein auf die Unkalkulierbarkeiten der Witterung und des Wachstums, der zu sonnigen oder zu schattigen Ecken und auf die Eigenheiten all der empfindlichen Pflanzen. Die Kreativität wird zur angewandten Naturkunde, die Kopf- wird zur Handarbeit und sie erfordert Seherfähigkeiten.
Frank Berzbach betont: „Man kann nur mit, nie gegen die Natur gärtnern. Und das Ergebnis, ja die Stadien zwischen Frühjahr und Spätherbst bieten dann die betörende Atmosphäre in der abendlichen Dämmerung.“ Der Landschaftsgärtner und Philosoph Gilles Clément schreibt in seinem Essay „Die Weisheit des Gärtners“: „Der Garten ist ein Observatorium der Zeit.“ Die Natur würde das nie so machen, aber Menschen machen dies. Die Sehnsucht nach der Schönheit der Natur müsste sich in einer höheren Wertschätzung der Forstwirtschaft und Landschaftsgärtnerei, der Garten und der Gärtner niederschlagen. Sie erarbeiten nämlich begehbare Naturphilosophie.
Die Welt ist voller Hindernisse und Hässlichkeiten
Wenn jeder Mensch potenziell ein Kreativer ist, und davon geht Frank Berzbach aus, stellt sich die Frage, wie man den Willen zur Schöpfung stärkt. Wie man die Kunst, ein kreatives Leben zu führen, praktiziert. Trägheit, Gleichgültigkeit, Opportunismus, Lethargie, Geiz, Weinerlichkeit, den Hang, immer nur zu klagen – die menschliche Seele ist voller Hindernisse und Hässlichkeiten; und die Welt ebenso: Es fehlen Spielräume, es gibt zu viel Lärm und zu vieles dreht sich ums Geld. Es ist leicht, daran zu verzweifeln.
Heimito von Doderer meinte, es sei ja durchaus legitim, wenn nicht sogar nötig, Alkoholiker zu werden, wenn man sähe, was die Ingenieure und Kaufleute aus dieser Welt machten. Frank Berzbach glaubt, dass Rotwein nur dosiert den Zugang zur Schönheit eröffnet, die Sucht aber niemals. Der Begriff er Kreativität hat leider etwas Wertneutrales bekommen, eine tragische Halbwahrheit wird mit ihm verbunden: Jede wirtschaftliche Innovation gilt als schöpferisch, nur weil sie Gewinne einspielt. Quelle: „Die Form der Schönheit“ von Frank Berzbach
Von Hans Klumbies