Müßiggang darf nicht mit Unproduktivität verwechselt werden

Selbst ein kultiviertes Nichtstun steht heutzutage tief im Kurs, dabei hat es, dosiert, enorme Kraft und war sogar ein Gegenstand von Weisheitslehren. Frank Berzbach weiß: „Das Nichtstun als gelingende Genügsamkeit ist nicht mit der Trägheit zu verwechseln, der Müßiggänger ist nicht immer ein Taugenichts.“ Es ist gut und zeugt von hoher Kultur, zu schweigen; es kann gut sein, abzuwarten, wegzubleiben, sich zurückzuziehen und kein „Massenmensch“, wie Edgar Allan Poe ihn nannte, zu werden. Frank Berzbach kenne einen ruhigen Philosophen, der seinen Unterrichtsverpflichtungen nachkommt, der in mehreren Sprachen und tiefem Verständnis liest, dabei am liebsten allein ist, dessen Leben nach allen Verpflichtungen aus Spaziergängen durch die Schweizer Natur besteht. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

Der größte Feind der Schönheit ist das Vulgäre

Auch in ein Kaffeehaus zu gehen, sich allein seinen Platz zu suchen, dort still zu sein und zu lesen, ohne jemanden zu stören, hat viel Würde. In der gleichen Zeit hätte man der Welt viel Unheil zufügen können. Warum gelten heutzutage sich zurückziehende Menschen als Problem? Vielleicht sind sie zufrieden und glücklich. Vielleicht tun sie viel Gutes, weil sie nichts Schlechtes tun. Wie produktiv die Unproduktivität werden kann, lässt sich an Menschen mit dem Hang zur Schönheit lernen.

Der größte Feind der Schönheit bleibt aber das Vulgäre. Es erhebt das Böse und das Hässliche zum Gott, es baut auf den gegenwärtigen Verlust der Eloquenz, zerstört Formen, Sprache, die feinsinnige Unterscheidung und die intuitive Wahrnehmung. Gesellschaftlich sind dann die Kunst, die Bücher, die Wissenschaft und die Freiheit ihre ersten Opfer. Wer all das angreift, wer Bücher hasst und damit prahlt, wer glaubt, Geld könne an ihre Stelle treten, der ist vulgär.

Quantität erzeugt keine tiefere Wertigkeit

Was aber nicht mehr zur Sprache gebracht werden kann, nicht zur formbewussten Ordnung wird, nicht zum erkennbaren Bild, das existiert nicht. Denkt man an die uralte Fähigkeit des Menschen, Komplimente zu machen, galant zu sein, also zu feiern, was am anderen gefällt, dann sollten einem dazu unendlich viele Worte ins Gedächtnis kommen. Von dieser ausgeklügelten Kultur, am anderen das Schöne zu erblicken und es durch die Sprache zu steigern, hat eine vulgäre Kultur nur noch restringierte Codes übrig gelassen.

Nur noch die unbedeutende Differenz zwischen „like“, „nice“ und „love“ soll Zuneigung andeuten, die dann allerdings jede Bedeutung verliert. Frank Berzbach erläutert: „Diese Vokabelarmut ist keine Lakonie, sondern einfach Formverfall. Die Quantität zählt, kann aber, so hoch sie auch ist, keine tiefere Wertigkeit erzeugen.“ Als bedeute die Zuneigung von hundert zerstreuten Idioten auch nur annähernd so viel wie die von einem achtsamen Gentleman. Quelle: „Die Form der Schönheit“ von Frank Berzbach

Von Hans Klumbies