Schönes führt zu einem besseren Leben

Die Sprache selbst ist unfähig, alles zugleich zu ergreifen – dies geht nur in Zurückgezogenheit und Schweigen –, aber die Sprache kann dennoch eine Welt erzeugen, sie schaffen. Erst die Unterscheidungen, die Menschen nutzen, erzeugen die Wirklichkeit. Für Frank Berzbach ist diese Erkenntnis eine der großen Einsichten der Differenz- und Systemtheorien. Und es ist entscheidend welche Welt die Sprache erschafft. Sich den Alltagsformen zu widmen, über den Alltag nachzudenken, erfordert und erzeugt Formbewusstsein. Wenn Kunst, Lebenskunst und die Schönheit zu Hause beginnen, existiert nur noch der persönliche Alltag. Dieser besteht aus so einfachen Aspekten, dass man Gefahr läuft, sie zu unterschätzen. Auch darf man nicht vergessen, dass alle Eckpunkte des Alltags miteinander vernetzt sind. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

Die Religionen haben die Geschichte der Schönheit geprägt

Frank Berzbach schreibt: „Wir können alle Formen des Alltags unter dem Aspekt der Schönheit betrachten, wenn wir Formbewusstsein entwickeln.“ Wer beispielsweise die Dinge, die ihn umgeben, sammelt und liebevoll betrachtet, der hat weniger unnützen Ballast und der achtet mehr auf Ordnung. Wer sich mit Schönem umgibt, hat ein besseres Leben. Vieles ist sehr einfach. Wer Formbewusstsein entwickelt, sich für seine Umgebung interessiert und etwas darüber weiß, der entwickelt ein Gespür dafür, wie die Formen, die ihn umgeben, auch seine Persönlichkeit prägen.

Menschen sind den Jahreszeiten ausgeliefert, aber ihre ewige Wiederkehr gibt ihnen die Möglichkeit, zu erkennen, dass in jeder die kommende schon schlummert. Ein berühmtes Gedicht eines Zen-Meisters weist darauf hin: „Unter dem Schnee warten die Blumen. Der Pflaumenbaum blüht in China, wenn noch Schnee liegt.“ Die Religionen, vor allem ihre spirituellen Schulen des Mönchtums, haben die Schönheit über ihre ganze Geschichte hinweg geprägt, geschützt und vertieft.

Die Ästhetik des Zen-Buddhismus ist faszinierend

Im Christentum ist es vor allem die Musik – keine andere Religion hat eine vergleichbare Tradition hervorgebracht. Aber auch die Malerei und die Menschen prägende Ikonografie ist im Westen über die meisten Zeiten eher „kirchliches Design“. Die italienischen und spanischen Meister arbeiteten im Auftrag der Kirche. Weit über Japan und China hinaus hat der Zen-Buddhismus eine Ästhetik hervorgebracht, dessen Schönheit fasziniert, obwohl – oder vielleicht weil – es unspektakulär, schwarz-weiß, asymmetrisch, ja sogar grob und naturnah zugeht.

Hier werden auch die Dinge des Alltags aus der Perspektive von Leben und Tod betrachtet, was zufrieden und gelassen macht; bis in die Vorstellungen von Schönheit hinein dominiert das Gespür für die generelle Vergänglichkeit und Wandelbarkeit der Welt. Bei jedem Ärgernis kann man sich fragen, ob es in einem Jahr oder auf dem Sterbebett noch eine Relevanz haben wird – und schon verfliegt der Ärger über Belangloses. Die vergehende Zeit soll im Zen-Buddhismus nicht geleugnet, sondern betont werden. Quelle: „Die Form der Schönheit“ von Frank Berzbach

Von Hans Klumbies