Das Universelle hat zwei Bedeutungen

François Jullien kennt den Unterschied zwischen dem Universellen, dem Gleichförmigen und dem Gemeinsamen. Das Universelle hat dabei für den französischen Philosophen zwei Bedeutungen. Da ist einerseits eine konstative, man könnte sagen schwache Bedeutung, die sich auf die Erfahrung beschränkt: „Soweit wir bisher beobachten konnten, stellen wir fest, das etwas immer so gewesen ist.“ In diesem Sinne bezieht sich der Begriff auf das Allgemeine. Das Universelle besitzt jedoch auch eine starke Bedeutung, nämlich die der universellen Gültigkeit im genauen oder strengen Sinn – sie ist es, woraus man in Europa eine Forderung des Denkens gemacht hat. François Jullien erläutert: „Wir behaupten von vornherein, noch vor aller Bestätigung durch die Erfahrung, dass eine bestimmte Sache so sein muss.“ François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

Das Uniforme verdankt sich der Bequemlichkeit

Bei diesem „Universellen“ geht es also nicht länger um etwas Allgemeines, sondern um eine Notwendigkeit. Auf eben dieses Universelle haben die Griechen die Möglichkeit der Wissenschaft gegründet. Aber in der Begegnung mit anderen Kulturen stellen die Europäer folgendes fest. Die Forderung nach universeller Gültigkeit, auf welcher die europäische Wissenschaft basiert und die auch von der klassischen Moraltheorie formuliert wurde, ist alles andere als universell. Und tatsächlich nimmt man diese Universalität außerhalb Europas als etwas faszinierend Fremdartiges wahr.

Auch der Begriff es Uniformen oder Gleichförmigen ist laut François Jullien missverständlich. Zunächst könnte man annehmen, er stelle die Realisierung und Erfüllung des Universellen dar. In Wirklichkeit ist er das Gegenteil davon. Denn anders als das Universelle ist es nicht der Vernunft, sondern der Logik der Produktion untergeordnet. Es handelt sich dabei lediglich um Standards und Stereotype. Das Uniforme verdankt sich nicht der Notwendigkeit, sondern der Bequemlichkeit. Es ist einfach billiger, gleichförmige Dinge zu produzieren.

Das Gemeinsame hat eine politische Dimension

François Jullien schreibt: „Während das Universelle auf „das Eine hin“ ausgerichtet ist, geht es beim Uniformen nur darum, ein und dasselbe zu wiederholen. Es wird immer wieder identisch „geformt“ und ist nicht länger erfinderisch.“ Uniforme Lebensweisen, Objekte, Waren, aber auch Diskurse und Meinungen überziehen dank der technischen und medialen Möglichkeiten den gesamten Planeten. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass sie deshalb universell sind. Und selbst wenn man ihnen überall begegnen würde, gäbe es dafür keinen zwingenden normativen Grund.

Während sich das Universelle also von der Logik herleitet und das Gleichförmige dem Ökonomischen zuzuordnen ist, hat das Gemeinsame eine politische Dimension: Das Gemeinsame ist, was geteilt wird. Es war dieses Konzept, von dem aus die Griechen die Polis entworfen haben. Im Gegensatz zum Gleichförmigen ist das Gemeinsame nicht das Gleichartige. Das Gemeinsame definiert sich nicht dadurch, dass es irgendwelche Vorschriften macht. Zu einem Teil ist es dabei schlicht gegeben. Man denke nur an das gemeinsame einer Familie oder einer Nation, die einem Menschen quasi allein durch die Geburt zukommt. Quelle: „Es gibt keine kulturelle Identität“ von François Jullien

Von Hans Klumbies