Fehltritte von Politikern sind erst mal intern zu klären

Zur Fehlerkultur gehört es allerdings zwingend, die Frage nach den Konsequenzen von Fehltritten von Politikern zu stellen. Auch das ist erst mal intern zu klären. Helene Bubrowski schlägt vor: „Wenn der Fehler an Überlastung liegt, könnte daraus folgen, sich künftig weniger vorzunehmen oder sich Unterstützung zu besorgen.“ Oder ist es doch ein Amt zu viel? Beruht die Fehleinschätzung auf falschen Annahmen, muss man sich fragen, wie man blinde Flecken bekämpfen kann. In der externen Dimension kommt es darauf an, dass sich die Konsequenzen nicht in Worthüllen erschöpfen. Das verstärkt nur die Politikverdrossenheit. Es grassiert ja ohnehin das gefährliche Narrativ, dass für „die da oben“ andere Regeln gelten, dass die Kassiererin im Supermarkt ihren Job viel schneller los ist als jeder Spitzenpolitiker. Helene Bubrowski arbeitet als Politikkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Berliner Hauptstadtbüro.

Plagiate in Dissertationen müssen politische Karrieren nicht zwingend beenden

Helene Bubrowski nennt ein Beispiel: „Franziska Giffey ist im Mai 2021 aufgrund der anhaltenden Diskussionen über ihren Doktortitel als Bundesfamilienministerin zurückgetreten, doch das war eher eine vorgegaukelte Konsequenz, denn Spitzenkandidatin für die Berlinwahl ein halbes Jahr später ist sie trotzdem geblieben.“ Plagiate in Dissertationen müssen politische Karrieren nicht zwingend beenden. Es ist aber nicht plausibel, dass das nur ein Problem für ein Bundesministerium sein soll, aber nicht für das Rote Rathaus.

Franziska Giffey erklärte den halbherzigen Teilrücktritt kurzerhand zur Frage besonderer Zuverlässigkeit: „Die Berliner SPD und die Berlinerinnen und Berliner können sich auf mich verlassen. Dazu stehe ich. Mein Wort gilt.“ Für das Berliner Wahldebakel hat aus der politischen Führung der Hauptstadt niemand Verantwortung übernommen. Franziska Giffey sagte nach der Wahl nur, dass die Schuld „auf vielen Schultern“ liege, und sprach fortan nicht mehr darüber.

Die meisten Politiker sprechen nicht freiwillig über ihre Fehler

Man sieht schon: Im echten Leben ist es anders als auf der Bühne im Wedding. Da ist die Atmosphäre nicht nett und entspannt. Da ist wenig Applaus nicht das Schlimmste, was passieren kann. Helene Bubrowski weiß: „Und da sprechen die meisten Politiker auch nicht freiwillig über ihre Fehler, sie sind gezwungen, sich zu Vorwürfen zu verhalten. Fehlerkultur unter Realbedingungen, das funktioniert weniger gut als im Wedding.“ Andreas Scheuer hatte sich das anders vorgestellt. Er wollte über seine Erfolge als Bundesverkehrsminister sprechen, seine Ideen für den Verkehr der Zukunft.

Nicht schon wieder über die elende Maut. Helene Bubrowski fügt hinzu: „Es ist Ende Januar 2020, Andras Scheuer sitzt bei Markus Lanz in der Sendung. Aber das Thema ist die Pkw-Maut, die der Europäische Gerichtshof ein gutes halben Jahr zuvor gekippt hatte.“ Scheuer hat echte Entertainerqualitäten, wenn er Horst Seehofer imitiert, kann man Tränen lachen. Aber nun schlägt er ziemlich verkrampft die Beine übereinander und versucht zu erklärten, was die meisten im Land nicht verstehen: Wie kann es sein, dass Schadensersatz von einer halben Milliarde Euro droht, für den die Steuerzahler aufkommen müssen? Quelle: „Die Fehlbaren“ von Helene Bubrowski

Von Hans Klumbies