Überall gibt es Heerscharen von Leistungsvermeidern

Alle Menschen leben in – wie sie in der Psychologie und der Soziologie genannt werden – Systemen: Familie, Beziehung, Verein, Nachbarschaft, Verwandtschaft, Firma, Abteilung, Verband, Partei oder Freundeskreis. Evi Hartmann stellt fest: „Wir können keinen Fuß in diese Systeme setzen, ohne auf Heerscharen von Leistungsvermeidern zu treffen. In Unternehmen übernehmen die, die ohnehin schon üppig mit Aufgaben, Maßnahmen und Projekten versorgt sind, regelmäßig auch dann noch jene anfallenden Arbeiten, die andere, die deutlich weniger als sie leisten, mit dem Hinweise auf ihre „Überlastung“, die objektiv nicht gegeben ist, dankend ablehnen. In Vereinen, insbesondere in Sportvereinen, ist der Mangel an Ehrenamtlichen seit Jahrzehnten sprichwörtlich – was alle wissen, die in Vereinen tätig sind. Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.

Das kleinste Abbild einer Leistungsverweigerung ist die Familie

Natürlich gibt es viele Einflussfaktoren für diesen Mangel, zum Beispiel interne Seilschaften, die lieber den Verein ruinieren als jemand von außerhalb ihres Dunstkreises zum Kassen- oder Sportwart wählen zu lassen. Doch abseits dieser Faktoren fällt immer wieder auf, dass es meist dieselben Mitglieder und Ehrenamtlichen sind, die bei Festen, Veranstaltungen, Events und Meisterschaften das Maßband ziehen, Kampfrichter spielen, Spiele pfeifen, oder beim Auf- und Abbau von Bühnen und Wettkampfarenen aktiv sind.

Evi Hartmann weiß: „Das kleinste Abbild einer Leistungsverweigerung ist die Familie.“ Auch und gerade in Familien gibt es jene, die selbst unter denselben Voraussetzungen von zur Verfügung stehender Zeit und vorhandener Fähigkeit deutlich mehr leisten als andere Familienmitglieder. Der einzig Trost am Drückebergertum ist: Er entlarvt sich immer selbst. Höfliche Fragen zu stellen, reicht den Drückebergern schon. Reden ist schon genug. Handeln ist nicht nötig. Machen ja auch schon andere.

Die Pseudo-Elite fühlt sich als etwas Besseres

Und so sind auch in Meetings jene mit den längsten Redebeiträgen zuverlässig jene mit den geringsten Umsetzungsbeiträgen. Ein Kollege von Evi Hartmann nannte das mal „Murphy´s Meeting Law“: „Je mehr einer redet, desto weniger arbeitet er.“ Das erfahrene Mitglied der Pseudo-Elite operiert mit einem clever manipulierten Mechanismus. Sonst hätte sich die Gleichgültigkeit gegenüber der Leistung nicht wie ein Virus in der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft verbreiten können.

Die Pseudo-Elite behauptet nämlich nicht, Elite zu sein, sie tut schlicht so. Indem sie so tut, als ob. Genauer: Indem sie so redet, als ob. Indem sie so redet, als sei sie etwas Besseres, stellt sie automatisch alle anderen eine Stufe tiefer. Evi Hartmann erläutert: „Wer einen anderen schlechtmacht, kleinredet, bagatellisiert, kritisiert, verspottet oder verniedlicht, erhebt sich automatisch über ihn – ohne dass er noch formell oder explizit auf seine herausgehobene, elitäre Stellung hinweisen müsste.“ Quelle: „Ihr krieg den Arsch nicht hoch“ von Evi Hartmann

Von Hans Klumbies