Die Zahl der Sexualpartner nimmt ständig zu

Ein von der sexuellen Revolution ausgelöste Wandel sieht Eva Illouz im enormen Anstieg der Zahl der Sexualpartner, die man im Laufe seines Lebens hat. Dabei ist das Sammeln sexueller Erfahrungen für viele Menschen aus unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen zu einem wichtigen und eigenständigen Aspekt des Sexuallebens geworden. Vorehelicher Sex wurde zunehmend legitim. Und je länger die Zeitspanne ist, die zwischen dem ersten Sexualpartner und der Wahl eines dauerhaften Lebenspartners liegt, desto wahrscheinlicher neigen Menschen dazu, sexuelle Erfahrungen anzuhäufen. Dies legt für Eva Illouz nahe, dass Sexualität inzwischen als ein Betätigungsfeld verstanden wird, in dem es darum geht, einen Erfahrungsschatz zu akkumulieren und eine große Zahl von Partnern kennenzulernen. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Außerdem ist sie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

Die Sexualität sorgt für Status und Ansehen

Vor diesem Hintergrund avancierte die Sexualität auch zu einer neuen Form von Status und Ansehen. Früher verlieh das egalitäre Ideal der Jungfräulichkeit soziales Ansehen und Wert. Heute zählen „Sexyness“ und „sexuelle Leistungsfähigkeit“ zu den Signalen der eigenen Position in sexuellen Feldern mit ungleich verteilten Formen von Rang und Status. Eine weitere Ausweitung der sexuellen Revolution war eine Aufsplitterung der romantischen Begegnung von innen heraus.

Sie gabelte sich auf in drei unterschiedliche kulturelle Logiken und die dazugehörigen Institutionen und Diskurse: Heiratsmärkte, emotionale Erfahrungen und sexuelle Praktiken. Diese drei kulturellen Logiken existieren auf unterschiedlichen sozialen Ebenen. Sie besitzen eigene, einander mitunter widersprechenden phänomenologische und normative Strukturen. Im sexuellen Markt hat man Verhältnisse, ohne dass man sich moralisch verpflichtet fühlen würde, mit der anderen Person Kontakt zu halten.

Die Sexualität hat sich von den Gefühlen abgekoppelt

Im emotionalen Bereich oder im Heiratsmarkt ist man dagegen eher für sein Verhalten verantwortlich. Die Autonomisierung dieser drei Ebenen bedeutet, dass die Sexualität zu einem Handlungsfeld für sich geworden ist. Sie ist unabhängig von emotionalem Austausch oder gemeinsamer Häuslichkeit. Obwohl sie miteinander verbunden sind, folgt jeder dieser drei Verhaltensbereiche seiner eigenen kulturellen Logik. Er bildet ein „Handlungsregime“. Diese Aufsplitterung der emotionalen und sexuellen Begegnung in verschiedene Handlungsregime ist ein Haupteffekt der sexuellen Freiheit.

Dies hat eine gravierende Folge: Die Interaktionen zwischen Männern und Frauen sind nunmehr durch eine hohes Maß an Ungewissheit gekennzeichnet. Männer und Frauen haben die sexuelle Revolution begrüßt. Doch sie hat sie auf unterschiedliche soziologische Pfade geführt. Wie schon oft von Eva Illouz bemerkt, neigen Männer leichter als Frauen dazu, Sexualität von Gefühlen zu trennen. Frauen dagegen tendieren dazu, sich selbst für emotional wesentlich kompetenter zu halten als Männer. Quelle: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz

Von Hans Klumbies

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