Europa unterscheidet sich von der übrigen Welt

Von seinem Ursprung her in der griechischen Mythologie angesiedelt, haben sich mit dem Begriff „Europa“ im Laufe seiner Geschichte verschiedenartige Vorstellungen vom europäischen Kontinent als einem Gebilde sui generis verbunden, das sich durch bestimmte politische und zivilisatorische Eigenschaften auszeichne und von den anderen Erdteilen grundlegend abhebe. Die Vorgeschichte des aufklärerischen Europabegriffs führt zurück zu den Anfängen der europäischen Geschichte. Denn bevor Europa zum Namen eines Kontinents wird, bezeichnet es zunächst eine Gestalt der griechischen Mythologie. Der Begriff Europa hat sowohl in der griechischen als auch in der römischen Antike ebenso wie auch im Mittelalter nur eine marginale Rolle gespielt. Allein im 8. Jahrhundert scheint sich für einen kurzen Zeitraum mit dem Begriff Europa eine über den geographischen Gehalt hinausgehende Vorstellung zu verbinden.

Der Begriff Europa findet Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch

So werden in einer aus der Mitte des 8. Jahrhunderts stammenden Chronik die unter Karl Martell gegen die Araber kämpfenden Soldaten der Schlacht von Tours als „europenses“ bezeichnet. Nur wenige Jahre später wird Karl d. Große in zeitgenössischen Quellen als „pater Europae“ gepriesen, eine Wahrnehmung, die mit dem Niedergang des Karolingerreiches schnell wieder an Bedeutung verliert und erst im 20. Jahrhundert, wie der für besondere europäische Verdienste verliehene Aachener Karlspreis bezeugt, wiederbelebt werden sollte.

Erst der Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert und das Zeitalter der Renaissance markieren in der Geschichte des Wortes Europa einen wichtigen Einschnitt. Wenn sich das Europa der frühen Neuzeit mehr und mehr seiner selbst bewusst wird, so sucht sich dieses in Wandlung begriffene Selbstbewusstsein der Europäer auch in einer entsprechenden, den veränderten geistigen und historischen Bedingungen angepassten Begrifflichkeit zu artikulieren. Der Begriff Europa findet immer mehr Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch.

Europa ist die Heimat der „studia humanitatis“

Mit dem Begriff Europa verbinden sich jetzt auch zunehmend präzise Vorstellungen von Europa als einem Kontinent, der sich durch bestimmte Eigenschaften von der übrigen Welt unterscheide. So begreift beispielsweise Erasmus von Rotterdam am Anfang des 16. Jahrhunderts Europa als Heimat der „studia humanitatis“. Seine Vorstellung von einer „res publica literaria“ schließt Gelehrte und Literaten aller europäischen Staaten zu einer übernationalen Gemeinschaft zusammen, die jenes Gefühl der Zusammengehörigkeit zu einer außerstaatlichen und überkonfessionellen Gemeinschaft weckt und fördert.

Der Aufstieg des Terminus Europa ist dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den epochalen Ereignissen und Umwälzungen des 16. und 17. Jahrhunderts zu sehen. Vor allem drei historische Entwicklungen sind hier zu nennen: die Entdeckung und Eroberung neuer Erdteile, die Bedrohung des Kontinents durch das Osmanische Reich sowie die Herausbildung des modernen europäischen Staatensystems in Folge der Reformation und des Westfälischen Friedens von 1648. Quelle: „Handbuch Europäische Aufklärung“ von Heinz Thoma (Hrsg.)

Von Hans Klumbies