Es gibt mehrere Arten, wie man sich die Entstehung von Neuem in der Natur vorstellen kann. Die erste Art kann man das Chnum-Prinzip nennen. Fabian Scheidler erklärt: „Der widderköpfige ägyptische Schöpfergott Chnum wurde an einer Töpferscheibe sitzend dargestellt, wo er Menschen, Götter, Tiere und Pflanzen formte, um sie anschließend mit seinem Zauberstab zum Leben zu erwecken.“ Eine der beiden biblischen Schöpfungsgeschichten ist eine Variante dieses Modells. In Genesis 2,7 heißt es: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Staub vom Erdboden und blies in seine Nase den Lebensatem.“ Das Chnum-Prinzip ist eine Metapher, die auf der menschlichen Fähigkeit basiert, Pläne zu fassen und diese dann handwerklich umzusetzen. Dieser Form der menschlichen Kreativität ist eine menschliche Grunderfahrung. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.
Eine neuere Variante des Kreationismus ist das Intelligent Design
Die Projektion dieses Prinzips auf die Evolution führt allerdings zum Irrtum des Kreationismus, also zu der fälschlichen Vorstellung, dass Lebewesen planmäßig von einem außerhalb des Geschehens stehenden Schöpfers geschaffen wurden. Fabian Scheidler betont: „Sowohl die fossilen Funde als auch genetische Analysen zeigen eindeutig, dass es keinen solchen Schöpfungsvorgang gab, sondern dass es sich um eine schrittweise Entwicklung über Jahrmilliarden handelt.“
Eine neuere Variante des Kreationismus ist das sogenannte Intelligent Design. Fabian Scheidler erläutert: „Nachdem das oberste Gericht in en USA 1987 verboten hatte, Kreationismus in Schulen als wissenschaftliche Erkenntnis darzustellen, verlegte sich die christliche Rechte darauf, die alten theologischen Glaubenssätze im Gewand von Wissenschaftlichkeit neu zu präsentieren, finanziert vom erzkonservativen Discovery Institute.“ Vertreter des Intelligent Design geben zwar meist zu, dass man die biblischen Schöpfungsgeschichte nicht wörtlich zu verstehen habe, dass also nicht vor einigen Tausend Jahren fertige Vögel, Fische und Menschen aus dem Nichts geschaffen wurden.
Es gibt keinen Akteur außerhalb des Geschehens selbst
Allerdings könne die Evolutionstheorie nicht erklären, wie komplexe Organe und ihr Zusammenwirken ohne gezielte Planung entstehen können. Fabian Scheidler fügt hinzu: „Als Lösung wird suggeriert, ein externer Schöpfer habe im Laufe der Evolution immer wieder eingegriffen, um die komplexen Wirkungsgefüge des Lebens zu designen.“ Ein anderes Erklärungsprinzip ist die Idee, dass das mechanische Aufeinanderprallen von verschiedenen Naturkräften – mehr oder minder zufällig – Neues hervorbringt.
Der Aufprall eines Tintenfasses auf dem Boden führt zu einem Muster, das niemand geplant hat. Ähnliches gilt von den Wellenmustern, die der Wind auf dem Meer oder im Sand erzeugt. Der Wind hat keinen Plan von dem Muster, das er schafft. Fabian Scheidler ergänzt: „Es gibt keinen Akteur außerhalb des Geschehens selbst. Und die Akteure des Geschehens – der Wind und der Sand – agieren „blind“, insofern sie keine Wahrnehmungsfähigkeit besitzen, die ihre Handlungen leiten würde.“ Quelle: „Der Stoff aus dem wir sind“ von Fabian Scheidler
Von Hans Klumbies