Es gibt Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat

Das Grundgesetz betrachtet den einzelnen Menschen gleichzeitig als frei und gemeinschaftsgebunden. Daneben sind zwei Funktionen de in der Verfassung festgeschriebenen Grundrechte nicht voneinander zu trennen. Hans-Jürgen Papier erklärt: „Zunächst sind sie Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat. Als solche sichern sie, dass der Staat den Bürgern einen Freiheitsraum einräumt und diesen achtet.“ Gleichzeitig sind die Grundrechte aber auch Quelle staatlicher Aufgaben, nämlich der sogenannten staatlichen Schutzpflichten. Der Staat muss aktiv dafür Sorge tragen, dass die grundrechtlichen Freiheiten des Einzelnen nicht beeinträchtigt werden, weder durch Dritte noch durch Gefahrenlagen, wie sie Naturkatastrophen, Angriffe oder Epidemien darstellen. Anspruch und Zweck des modernen Staates bestehen also darin, beides miteinander zu verbinden. Prof. em. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier war von 2002 bis 2014 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Der Staat gestaltet das Verhältnis zwischen Freiheit und Schutz

Erstens den Schutz vor grundrechtswidrigen Freiheitseinschränkungen durch den Staat selbst. Zweitens aber auch vor Beeinträchtigung der Grundrechte von außen oder von dritter Stelle. Hans-Jürgen Papier erläutert: „Konkret gestaltet er das Verhältnis von Freiheit und Schutz in nahezu allen Lebensbereichen aus, indem die Vertreter des Staates Gesetze erlassen und Normen und Regelungen definieren.“ Angesichts komplexer Veränderungen haben die Repräsentanten des Staates den grundgesetzlichen Schutzauftrag im Lauf der Zeit stetig erweitert.

Das wirft jedoch auch Fragen danach auf, ob, wann und mit welchem Inhalt es geboten ist, dass der Gesetzgeber steuernd eingreift und zusätzliche Vorschriften schafft. Hans-Jürgen Papier stellt fest: „Wesentlich für die Entscheidungsfindung sind hier vor allem bereits vorhandene Regelungen, aber auch die Einschätzung möglicher Gefahren und ihres Ausmaßes.“ Genauso muss man beurteilen, welchen Stellenwert dem Rechtsgut, das man schützen will, gegenüber anderen Rechtsgütern zukommt. Ein klassisches und gerade in heutiger Zeit aktuelles Gebiet ist die innere Sicherheit.

Der Staat muss die öffentliche Sicherheit garantieren

Selbstverständlich hat der Staat den Auftrag, seine Bevölkerung vor Gefahren wie terroristischen Anschlägen zu schützen. Das heißt, wenn ihm Gefährdungen bekannt werden, ist er verpflichtet, gegen diese vorzugehen. Hans-Jürgen Papier ergänzt: „Aus seinen grundrechtlichen Schutzpflichten ergibt sich ein sogenanntes Untermaßverbot. Dieses verbietet dem Staat, angesichts von Gefährdungslagen untätig zu bleiben.“ Auch wenn er nur völlig Ungeeignetes oder evidentermaßen zu wenig Geeignetes gegen die Gefahr unternimmt, verletzt er seine grundrechtlichen Pflichten.

Die Pflicht des Staates, die öffentliche Sicherheit zu garantieren, findet ihre Grenze am Verbot, unverhältnismäßig in die Grundrechte unbeteiligter Dritter einzugreifen. Deren Abwehrrechte bewirken dann ein Übermaßverbot. Hans-Jürgen Papier fügt hinzu: „Der abwägende Spielraum besteht also in einem Korridor zwischen Übermaß- und Untermaßverbot. Ergriffene Maßnahmen dürfen, um es salopp zu sagen, nicht zu viel regulieren, aber sie dürfen auch nicht zu wenig leisten.“ Quelle: „Freiheit in Gefahr“ von Hans-Jürgen Papier

Von Hans Klumbies

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