Jeder Mensch muss sich seine Freiheit selbst erarbeiten

Das Buch „Über die Kunst der inneren Freiheit“ präsentiert den Ansatz des griechischen Philosophen Epiktet (55 – 135 n. Chr.), für den die Freiheit ein lebenswichtiger Wert war, denn er war selbst als Sklave geboren worden. Er definiert Freiheit nicht als Menschenrecht oder politische Forderung, sondern als einen ethischen Wert, den sich jeder Mensch nur selbst erarbeiten kann. Das Buch enthält Epiktets berühmte Schrift „Encheiridion“ (Anleitung zum glücklichen Leben) sowie eine Auswahl seiner Unterredungen. Kommentiert und übersetzt wurde das Werk von A. A. Long, einem der führenden Experten der Philosophie der Stoa. Epiktet fasst die Freiheit als ein Leben im Einklang mit der Natur auf, als Bestrebung, sich selbst zu besitzen und zu beherrschen, ein Weltbürger zu werden und ausschließlich stets das zu begehren, was man auch sicher bekommen kann. A. A. Long ist emeritierter Professor für Klassische Philologie und Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley.

Die Freiheit ist die geistige Orientierung eines Menschen

A. A. Long schreibt in der Einleitung: „Die erste Lektion seins „Encheiridion“, seines Handbuchs zum Stoizismus, beharrt darauf, das alles, was wirklich auf unserem eigenen Handeln beruht, von Natur aus frei, ungehindert und ohne Zwang sei.“ Seiner Auffassung nach handelt es sich bei der Freiheit um die geistige Orientierung von Menschen, die Frustrationen und Enttäuschungen gleichgültig gegenüberstehen, weil ihre Wünsche und Entscheidungen von ihnen selbst abhängen und nichts beinhalten, was sie sich nicht selbst verschaffen können.

Einer der Schlüsselbegriffe in der Philosophie des Epiktet ist das Wort „Natur“. Es deckt drei miteinander verbundene Bereiche ab: Erstens die Struktur und den Inhalt der greifbaren Welt. Zweitens die menschliche Natur im Hinblick auf die geistigen Fähigkeiten, Begabungen und Möglichkeiten. Drittens die Werte, die mit menschlichen Leistungen und einem blühenden Leben im Einklang stehen oder eben ihr widersprechen. Bei der äußeren Natur folgt Epiktet seinen stoischen Autoritäten, welche die physische Welt als eine vollkommen deterministische Struktur aus Ursache und Wirkung begriffen.

Das Glück und die innere Gelassenheit stehen bei Epiktet im Vordergrund

Wenn Epiktet die menschliche Natur beschreibt, geht er auf die psychologischen Ressourcen ein, die einen reifen Menschen befähigen, frei innerhalb der Natur zu leben. Um das eigene Leben so voll wie möglich ausschöpfen zu können, beharrt Epiktet darauf, dass man sich seinen Eindrücken stellen soll, insbesondere den verstörenden. Grundlegend für die Gedanken Epiktets über die Natur und über den Menschen ist eine radikale Klassifikation der Werte. Er unterscheidet Gutes von Schlechtem und Indifferentem.

Das eigentliche Ziel der Theorie, die Epiktet in seinem „Encheiridion“ darlegt, scheint vor allem das Glück und die innere Gelassenheit des Handelns selbst zu sein, und nicht unbedingt das Wohlbefinden anderer Menschen. Epiktet schreibt: „Es liegt in der Natur eines jeden Lebewesens, die Dinge zu meiden, sie schädlich wirken oder Schaden verursachen und diejenigen Dinge zu bewundern und anzustreben, die nützlich sind oder Nutzen bringen.“

Über die Kunst der inneren Freiheit
Alte Weisheiten für ein Leben nach der Stoa
Epiktet
A. A. Long (Hrsg.)
Verlag: Finanzbuch Verlag
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten, Auflage: 2019
ISBN: 978-3-95972-187-5, 14,99 Euro

Von Hans Klumbies