Für Epiktet ist derjenige Mensch frei, dem nichts geschieht, was im Gegensatz zu seinem Willen steht, und wenn niemand ihn behindern kann. Die Freiheit ist seiner Meinung nach etwas Geläutertes und Wunderbares. Unbekümmert im Hinblick auf die eigenen Wünsche zu sein, dass man jede Laune erfüllt sehen will, ist gleichbedeutend mit dem Gegenteil von geläutert – in der Tat ist es zutiefst schändlich. Wenn beispielsweise das Wissen jedermanns individuellen Launen angepasst würde, hätte es ja schließlich gar keinen Zweck, überhaupt irgendetwas zu lernen. Epiktet fügt hinzu: „Denn Bildung bedeutet genaugenommen zu lernen, dass alle einzelnen Dinge genau auf die Weise geschehen, wie sie geschehen. Und wie geschehen sie? Auf jene Weise, wie derjenige, der sie angeordnet hat, sie bestimmt hat.“ Epiktet war ein antiker Philosoph. Er zählt zu den einflussreichsten Vertretern der späten Stoa.
Die Stoa lehrt Gelassenheit und Furchtlosigkeit
Ist sich ein Mensch dieses Arrangements bewusst, sollte er nach Bildung streben, nicht um die Bedingungen zu ändern – denn das ist ihm nicht gegeben und würde auch keine Besserung bringen –, sondern um, angesichts der Natur der ihn umgebenden Dinge, so wie sie sind, seinen Geist in Einklang mit dem zu halten, was geschieht. Wer allein ist, sollte das Frieden und Freiheit nennen und sich mit den Göttern vergleichen. Und wenn man in Gesellschaft ist, sollte man sich nicht von einer Menge oder dem Pöbel und Widerwärtigkeit, sondern von einem Fest und Gelage sprechen und so alles mit Freuden akzeptieren.
Was ist die Frucht dieser stoischen Lehren? Epiktet hat darauf folgende Antwort: „Genau das, was das beste und passendste Ergebnis für Menschen sein muss, die wahrhaft gebildet sind – Gelassenheit, Furchtlosigkeit und Freiheit.“ Denn was diese Dinge angeht, darf man den zahlreichen Menschen nicht glauben, die sagen, dass Bildung nur für die Freien erreichbar ist, sondern stattdessen den Philosophen, die sagen, dass nur die Gebildeten frei sind.
Alles ist vergänglich
Niemand, der ängstlich, bekümmert oder unruhig ist, ist frei, aber der Mensch, der frei von Sorgen und Ängsten und Unruhe ist, wird durch diese Haltung von der Sklaverei befreit. Freiheit ist alles in allem etwas Großartiges, Edles und Wertvolles. Wann immer man also jemanden sieht, der vor einem anderen katzbuckelt oder ihm unaufrichtig schmeichelt, kann man mit Gewissheit sagen, dass dieser Mensch nicht frei ist. Epiktet glaubt fest daran, dass die Freiheit in der eigenen Hand eines jeden Menschen liegt und selbstbestimmt ist.
Also kann man mit Gewissheit sagen, dass kein Mensch frei ist, wenn jemand anders die Macht hat, ihn zu behindern oder zu nötigen. Außerdem macht man sich zum Sklaven und unterwirft seinen Hals dem Joch, wenn man dauernd bewundert, was einem nicht gehört und starke Gefühle für Dinge hegt, die von anderen abhängen und vergänglich sind. Alles ist überall vergänglich und verletzlich. Epiktet warnt: „Wenn du dich auch nur ein bisschen an irgendetwas hängst, wirst du unweigerlich irgendwann traurig und mutlos sein, leichte Beute für Angst und Kummer.“ Quelle: „Epiktet“ von A. A. Long (Hrsg.)
Von Hans Klumbies