Eifersucht versetzt den Betroffenen in einen Dauerstress

Die schmerzhafte Emotion der Eifersucht tritt auf, wenn die erwartete Aufmerksamkeit, Anerkennung und Liebe von nahen Bezugspersonen nicht mehr gewährt wird beziehungsweise diese ihr Interesse und ihre Zuneigung jemand anderen zukommen lassen. Reinhard Haller erklärt: „Bei den ehemals Bevorzugten löst dies Verlustängste und Minderwertigkeitsgefühle aus. Diese Mischung von Emotionen namens Eifersucht, versetzt den Betroffenen in einen Dauerstress und kann anhaltende Depressivität hervorrufen.“ Dieser Disstress wirkt sich auch auf die organischen Funktionen des in einem andauernden Alarmzustand versetzten Organismus aus. In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass bei Eifersucht zwei Hirnregionen namens cingulärer Cortex und laterales Septum aktiviert werden und es zu einer vermehrten Ausschüttung der „Kampfhormone“ Cortisol und Testosteron kommt. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).

Die Eifersucht kennt erhebliche Geschlechtsunterschiede

Wird dieser Hormonüberschuss nicht durch eine kämpferische Auseinandersetzung abgebaut, führt das zu einem Dauerzustand von Frustration und Resignation – und zu Hass. Reinhard Haller weiß: „Das Gefühl der Eifersucht, das sich in der kindlichen Entwicklung schon während des ersten Lebensjahres einstellt, hat wie der Neid in der Evolution eine große Bedeutung.“ Bei dem auf seine Mutter eifersüchtigen Kind dominiert offensichtlich die Angst um das eigenen Überleben, wenn sich die Mutter um jemand anderen mehr kümmert.

Eifersüchtige Frauen befürchten den Verlust ihres Mannes, der in früheren Zeiten allein für die Nahrungsbeschaffung und das wirtschaftliche Überleben zuständig war, die Vernichtung der eigenen Existenz. Reinhard Haller fügt hinzu: „Beim Mann hingegen sorgt die Eifersucht für die gesicherte Weitergabe seiner Gene, im Hintergrund steht also die Angst vor Kuckuckskindern.“ Die Eifersucht kennt erhebliche Geschlechtsunterschiede, wie die Forscher Kenneth Levy und Kristen Kelly von der University of California durch Untersuchungen von 100 Männern und Frauen feststellen konnten.

Eifersucht spielt sich in einem Dreiecksverhältnis ab

Überraschenderweise reagieren heute auch die Männer auf emotionale Untreue eifersüchtiger als auf eine sexuelle Außenbeziehung. Reinhard Haller ergänzt: „Bei weiblicher Eifersucht, bei der evolutionär die Angst vor Verlust des Versorgers dominiert, ist dies immer schon bekannt.“ Die neuen Forschungsergebnisse belegen aber, dass auch die Eifersucht der Männer immer stärker von sozialen und kulturellen Faktoren abhängt und die Evolution keine so große Rolle mehr spielen dürfte.

In erster Linie hängt die Intensität der Eifersucht bei beiden Geschlechtern von der Stärke der emotionalen Bindung ab. Reinhard Haller erläutert: „Personen mit großem Bedürfnis nach Nähe leiden viel mehr bei emotionaler Entfernung des Partners, während diejenigen, denen Eigenständigkeit wichtiger als Bindung ist, vornehmlich bei drohender sexueller Untreue eifersüchtig werden.“ Eifersucht spielt sich in einem Dreiecksverhältnis ab: zwischen einer eifersüchtigen Person und zwei Objekten, jenem des „Anspruchs“ und jenem des „Eindringlings“, wie dies die Schweizer Psychotherapeutin Verena Kast treffend beschreibt. Quelle: „Die dunkle Leidenschaft“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies