Drei amerikanische Denkströmungen stecken hinter dem Trumpismus

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 06/2024 spürt der Frage nach, woher der Trumpismus in Amerika kommt. Donald Trump lügt, pöbelt und bricht Recht. Trotzdem wird er von seinen Anhängern gefeiert und hat Chancen, im November wieder zum Präsidenten gewählt zu werden. Wie ist das möglich? Drei US-amerikanische Denkströmungen, der Konservatismus, ziviler Ungehorsam und der Pragmatismus haben dem Trumpismus den Boden bereitet. So gibt es in der US-amerikanischen Historie konservative Geister, die den Eliten und Institutionen misstrauen und empfahlen, Ordnungen zu zerstören und neue zu errichten. Daneben existiert eine vielschichtige Theorie zivilen Ungehorsams, die bestimmte Rechtsbrüche als progressiv begreift. Und zur US-amerikanischen Philosophiegeschichte zählt auch der Pragmatismus, der Wahrheit nicht als etwas Objektives begreift, sondern als das, was nützlich ist. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt: „Wer den Trumpismus wirksam bekämpfen will, muss zuerst seine philosophische Schattenseite begreifen.“

Die AfD und ihre Wähler empfinden den Westen als dekadent

Der Sozialwissenschaftler Steffen Mau beschäftigt sich mit der Frage, warum die Alternative für Deutschland (AfD) im Osten von Deutschland so viel Zuspruch erhält. Die AfD und ihre Wähler versuchen sich unter anderem gegenüber dem als dekadent empfundenen Westen abzugrenzen. Steffen Mau erläutert: „Der Westen verkörpert dabei alles vermeintlich Schlechte: den Aufstieg der Migrationsgesellschaft oder progressive Themen wie Gender und Diversität.“ Ostdeutschland steht dagegen für einen Ort, wo man noch Schweinefleisch essen darf, wo es noch eine vernünftig Geschlechterordnung gibt und Männer noch Männer sein dürfen.

Die liberale Mitte verurteilt rechten Hass, wie er sich jüngst in Großbritannien zeigt. Die Philosophin Eva von Redeker hingegen trauert um eine verpasste Möglichkeit und schreibt: „So wird meine Wut auf die Rassisten von einem tiefen Gefühl des Verlusts überdauert. Diese Leute, die könnten sich ja für ihre Interessen einsetzen, ohne darüber zu Unmenschen zu werden.“ Die meisten dieser Leute werden allerdings nicht mehr die Seiten wechseln, so bleibt der Mitte nur die Aufgabe, sie zu bekämpfen.

Die USA ist nicht mehr ein „Land der Freien“

Zum Klassiker erkoren das das Philosophie Magazin diesmal Pico della Mirandola. Hervorgehoben wird dabei Picos Rede „Über die Würde des Menschen“. Es ist der freie Mensch, der sich für eine Richtung entscheiden muss, und handelt er weise, ist es die Entscheidung für ein philosophisches Leben. An keiner Stelle erhebt sich Picos Mensch über die Natur. Der junge Renaissancedenker feiert zwar die Freiheit des Menschen, doch ihr Gebrauch ist stets gebunden an eine Bescheidenheit und Ehrfurcht im Angesicht der Schöpfung.

Das Buch des Monats heißt diesmal „Über Freiheit“ von Timothy Snyder. Sind die USA noch ein „Land der Freien“? Timothy Snyder bezweifelt es in seinem neuen Buch. In fünf Kapiteln entwirft der Autor ein Gegenbild zum deprimierenden Status quo der krassen Ungleichheit. „Souveränität“, „Unberechenbarkeit“, „Mobilität“, „Faktizität“ und „Solidarität“ – jedes Kapitel fragt nach den Bedingungen, die ein freies Leben erst möglich machen, und ist als Ermutigung gedacht. Freiheit, so Timothy Snyder, ist der solidarische Aufbau von Strukturen, unter denen souveräne Individuen erst gedeihen können.

Von Hans Klumbies