Die Zukunft war bis vor Kurzem kaum wissenschaftlich untersucht

Die Neigung der Menschen zu Gegenwart und Vergangenheit kommt auch daher, dass man die Zukunft bis vor Kurzem kaum wissenschaftlich untersuchte. Florence Gaub blickt zurück: „Für unsere Vorfahren war die Zukunft nicht etwas, das in ihren Köpfen entstand und von ihren Entscheidungen, Träumen und Ängsten geprägt war. Stattdessen war die Zukunft für sie etwas, das von jemand anderen geschaffen wurde, etwas, dem sie bei der Entfaltung nur zusehen konnten.“ Das kam daher, dass die meisten keinen richtigen Einfluss auf die Zukunft hatten, auch auf die eigene nur sehr begrenzt. Die meisten Menschen lebten von ihrer Geburt bis zum Tod im selben Dorf, blieben in der gleichen sozialen Schicht und gingen den gleichen Tätigkeiten nach wie Vater und Mutter. Dr. Florence Gaub ist Politikwissenschaftlerin, Militärstrategin und Zukunftsforscherin. Sie leitet als Direktorin den Forschungsbereich NATO Defense College in Rom.

Die Wissenschaft leuchtete die Zukunft als offenen Raum aus

Ereignissen wie Krankheiten, Hungersnöten und Kriegen waren sie schutzlos ausgeliefert. Florence Gaub ergänzt: „Und da Ursache und Wirkung oft nicht verstanden wurden, wurde fast alles auf oft unergründliche göttliche Fügung geschoben. Schwangerschaften, Stürme oder Liebe passierten einfach aus dem Nichts und waren absolut nicht vorhersehbar.“ Über die Zukunft nachzudenken, war daher für die damals lebenden Menschen sinnlos, zumal die Gegenwart überquoll von existenziellen Problemen.

Florence Gaub stellt fest: „Dies begann sich ab dem 16. Jahrhundert zu ändern. Die Entdeckung Amerikas, die Reformation, die Französische Revolution, die Aufklärung und natürlich der wissenschaftliche Fortschritt leuchteten die Zukunft als offenen Raum aus, der für Innovation, Fantasie und Ideen zugänglich war.“ Es ist daher auch kein Zufall, dass genau in dieser Zeit Science-Fiction und politische Utopien geboren wurden, die sich diesen Raum zunutze machten.

Die Zukunft ist fast so real wie Vergangenheit und Gegenwart

Im 19. Jahrhundert entwickelte man dann dank wissenschaftlichen Fortschritts und der Sammlung von Daten gleich mehrere Werkzeuge, um die Zukunft zu managen. Das Konzept der Lebenserwartung, die Wettervorhersage und Versicherungen sind noch heute beliebte Mittel. Florence Gaub fügt hinzu: „Gleichzeitig begann die Philosophie sich langsam für die Zukunft zu interessieren, und die Physik machte Fortschritte, das Phänomen Zeit zu entschlüsseln.“

Auch in anderen Bereichen tauchte die Zukunft auf. Florence Gaub nennt Beispiele: „Regierungen stützten sich ab dem frühen 20. Jahrhundert auf Wirtschaftsprognosen, und die Entdeckung der Gene führte zu manchmal wilden Ideen darüber, wie viel man über persönliche Schicksale vorhersagen kann.“ Aber erst die 1980er Jahre brachten den Durchbruch in Sachen Zukunft. Dank der Entwicklung des Gehirnscans gab es nun endlich ein Werkzeug, um zu verstehen, was die Zukunft für den menschlichen Geist bedeutet. Denn sie ist dort fast so real wie Vergangenheit und Gegenwart. Quelle: „Zukunft“ von Florence Gaub

Von Hans Klumbies

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