Das Buch „Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den metaphysischen Systemen“, das im Todesjahr des Philosophen Wilhelm Dilthey erschien, hatte unter allen seinen Schriften den größten Einfluss auf seine Zeitgenossen. Er stellte darin lapidar fest, dass jede Weltanschauung historisch bedingt und deshalb relativ und begrenzt sei. Denn Wilhelm Dilthey behauptet: „Die letzte Wurzel der Weltanschauung ist das Leben, das sich von jedem Individuum aus seine eigene Welt erschafft.“ Sämtliche Weltanschauungen haben sich laut Wilhelm Dilthey nach einem inneren Gesetz gesondert, sind in der Natur des Universums und des auffassenden Geistes gegründet.
Die Weltanschauung des Positivismus
Jede Weltanschauung drückt in den Denkgrenzen des Menschen eine Seite des Universums aus. Jede ist wahr, denn die in jedem individuellen Fall notwendige Einseitigkeit, lässt sich auf einige wenige allgemeine Typen zurückführen, die allerdings unvereinbar sind. Wilhelm Dilthey unterscheidet drei weltanschauliche Typen.
Zunächst den Positivismus, der den Menschen in seiner theoretischen und praktischen Handlungsweise auf die streng nachweisbare Ordnung des Notwenigen einzuengen versucht. Dies kann in freudigem Glauben geschehen oder in bitterer Resignation. Die Philosophie strebt in diesem Fall durch den Aufbau aufeinander bezogener Naturgesetze zu Kausalerklärungen zu gelangen, die durchgängig stimmig sind.
Die Weltanschauungstypen des Idealismus und der Vernunft
Den zweiten Weltanschauungstyp charakterisiert Wilhelm Dilthey als Idealismus der Freiheit. Der Geist sieht sich in diesem Fall zur Selbstbefreiung und Sinngebung angespornt und aufgerufen. Denn da er von der Würde des Menschen überzeugt ist, strebt er nach einem Ideal im Glauben an eine übersinnliche Bedeutung der Dinge.
Das dritte weltanschauliche Grundverhalten ist laut Wilhelm Dilthey weniger aktiv denn kontemplativ. Hier erblickt der Geist den Sinn der Welt in einem absolut idealen Zustand, da die Vernunft dem Universum selbst innewohnt, das ganze Weltall durchdringt und alle Zusammenhänge bestimmt.
Zwischen den drei weltanschaulichen Typen herrscht für Wilhelm Dilthey ein unversöhnlicher Wettstreit, da alle absoluten Versuche der Vermittlung unter den dritten Typus fallen und der Idealismus der Freiheit immer neue Probleme behandeln, neue Probleme bezwingen und neue Leistungen vollbringen will. Mit der Erreichung eines absoluten Ziels würde die vom zweiten Typus angestrebte Freiheit sich in Notwendigkeit verwandeln. Damit einhergehen würde eine starre gesetzesmäßige Ordnung, die für den Positivismus des ersten Typs die Grundvoraussetzung seiner Existenz bedeutet.
Der Empirismus ist so abstrakt wie die Spekulation
Über seine weltanschaulichen Grundformen hat sich Wilhelm Dilthey auch einmal in der Sprache der Dichtung ausgedrückt und sie folgendermaßen beschrieben: „Dieses unermessliche, unfassliche, unergründliche Universum spiegelt sich mannigfach in religiösen Sehern, in Dichtern und in Philosophen. Sie stehen alle unter der Macht des Ortes und der Stunde. Es ist uns versagt, die großen Grundformen der Weltanschauung ineinszuschmelzen. Das reine Licht der Wahrheit ist nur in verschiedenen gebrochenem Strahl für uns zu erblicken.“
Für Wilhelm Dilthey steht fest, dass alle Spekulation überhaupt abstrakt ist, denn die totale allumfassende Erfahrung ist noch niemals die Grundlage des Philosophierens gewesen. Philosophie ist für ihn die Wissenschaft des Rational- wie des Irrational-Wirklichen. Für Wilhelm Dilthey ist der Empirismus nicht minder abstrakt als die Spekulation.
Von Hans Klumbies