Den Wohlstand zu messen ist eine knifflige Angelegenheit

Die meisten Ökonomen berechnen den Wohlstand eines Volkes vor allem an einer Größe, dem des Bruttosozialprodukts (BIP). Das BIP ist der Wert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres hergestellt werden. Es bestimmt zudem, welchen Platz ein Staat in der Bestenliste der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen einnimmt. Das Bruttosozialprodukt entscheidet auch über Lob oder Tadel für eine Regierung. Also ist es das Bestreben der Politiker, ein möglichst hohes BIP zu erzielen. Hinter diesem Ansinnen verbirgt sich folgende Annahme: nimmt die Wirtschaftsleistung zu, geht es den Bürgern besser. Doch immer mehr Ökonomen und Wissenschaftler aus anderen Fachbereichen stellen sich die Frage, ob diese Annahme noch richtig ist. Auch immer mehr Menschen in der deutschen Bevölkerung glauben nicht mehr daran, das Wachstum tatsächlich das richtige Maß für Wohlstand ist.  

Das Bruttoinlandsprodukt sagt nichts über die Verteilung von Einkommen und Vermögen aus

Viele Deutschen entdecken inzwischen, dass hinter dem Wachstum eine zerstörerische Kraft wirkt: es verschlingt Rohstoffe, verpestet die Umwelt, ist für die Klimaveränderung verantwortlich und vergrößert zunehmend den Abstand zwischen Arm und Reich. Und dabei ist es nicht einmal bewiesen, dass mehr Reichtum die Menschen auch glücklicher macht. Umfragen unter den Deutschen kamen zu dem Ergebnis, dass ein mehr an materiellem Wohlstand nur dann mehr Glück verspricht, solange die Menschen noch relativ arm sind.

Dennoch möchte kein Ökonom, der ernst genommen werden möchte, das Bruttosozialprodukt abschaffen. Kai Carstensen, Konjunkturexperte des Münchner Ifo-Instituts, sagt: „Das Bruttoinlandsprodukt ist bestens geeignet, um das durchschnittliche materielle Wohlstandsniveau zwischen Ländern oder über die Zeit zu vergleichen. Für viele andere Zwecke ist es nicht zu gebrauchen.“ So sagt es zum Beispiel nichts über die Verteilung von Einkommen und Vermögen aus.

Der Gini-Koeffizient stellt die Verteilung des Reichtums in einer Gesellschaft dar

Auch ökologischer Fortschritt und soziale Teilhabe lassen sich mit dem Bruttosozialprodukt nicht messen. Inzwischen wissen die Ökonomen auch, dass das Wirtschaftswachstum den Menschen nicht nur nutzt, sondern auch Kosten verursacht. Doch diese tauchen in der Berechnung nicht auf. Dennoch kommt am BIP laut Gert Wagner, Chef des Berliner Forschungsinstituts DIW, keiner vorbei, denn es bleibt ein wichtiger Indikator. Wer aber neben dem wirtschaftlichen Wohlstand auch den sozialen und ökologischen Reichtum eines Landes vermessen möchte, braucht zusätzliche Berechnungsgrößen.

Um das „Bruttoinlandsglück“ zu berechnen, muss man unter anderem wissen, wie gerecht Einkommen und Besitz verteilt sind. Das bekannteste Maß hierfür ist der sogenannte Gini-Koeffizient. Mithilfe einer Zahl zwischen Null und Eins stellt er dar, wie sich der Reichtum innerhalb einer Gesellschaft verteilt. Null bedeutet, dass alle Menschen gleich viel besitzen, Eins heißt, dass ein einziger Mensch das gesamte Vermögen besitzt. Je höher die Zahl, desto größer ist also der Grad der Ungleichheit. Daneben gibt es noch andere Kennziffern, die beispielsweise den sorgsamen Umgang mit der Umwelt erfassen.

Von Hans Klumbies