Das Nötige nicht zu tun, ist mittlerweile so häufig geworden, dass viele „häufig“ mit „normal“ verwechseln. Mitten in der angeblichen Leistungsgesellschaft gilt: Zentrale und nötige Leistungen werden vermieden, verdrängt, verleugnet. Aufgaben, die sich allen stellen, überlässt man einer Minderheit. Evi Hartmann kritisiert: „Arbeiten, die getan werden müssen, werden noch nicht einmal aktiv und mit Vorsatz an Dritte delegiert. Sie werden vielmehr schlicht, passiv und grob fahrlässig so lange liegen gelassen, bis sie schimmeln, zu Staub zerfallen, zu Krisen anwachsen oder (hoffentlich, endlich, zähneknirschend) von jemand anderem erledigt werden – oder eben nicht.“ Immer dann, wenn eine Aufgabe von allen angepackt werden müsste, packen eben nicht alle an. Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Arbeitsverweigerer haben immer eine Ausrede parat
Es packen nur die Wenigen an, während die Vielen es den Wenigen überlassen. Leider ist das inzwischen in allen gesellschaftlichen Bereichen so: Einer macht die Arbeit, neun schauen nicht mal zu und keinen regt das auf. Oft empören sich nicht einmal die Ausgenutzten: „Da ist halt so. Kann man nicht ändern. Irgendwer muss die Arbeit doch machen. Dann eben ich.“ Keiner muckt mehr auf. Es ist schon selbstverständlich geworden, dass man das, was gemacht werden muss, nicht mehr macht und auch nicht darüber redet.
Die Vermeidung von Leistung ist – genauso wie Leistung selbst – zum Tabuthema geworden. Warum weist so selten jemand den Kollegen zurecht, der es sich auf Kosten anderer bequem macht? Wie viele, die das noch stört, lieber den Mund halten. Sie fürchten das Echo. Wer chronisch und notorisch Arbeit vermeidet, hat immer mindestens eine Ausrede parat, die meist einem gängigen Muster folgt: „Nicht mein Job, nicht meine Aufgabe, nicht meine Verantwortung. Kann ich nicht, will ich nicht, weiß ich nicht, habe ich noch nie gemacht. Sol sich jemand anderes darum kümmern.“
Bei Wahnvorstellungen ist jede Diskussion sinnlos
Ausreden wie diese kommen laut Evi Hartmann so sicher wie das Amen in der Kirche. Weil sie so zuverlässig kommen, erahnen sie viele bereits im Voraus. Und resignieren. Weil es anscheinend sinnlos ist, den Mund aufzumachen: „Mit so jemanden kann man nicht vernünftig reden.“ Was die meisten eigentlich erwarten, ist das Einlenken: „Du hast ja recht, entschuldige, ich räume das weg.“ Manchmal hört man das auch. Das ist allerdings auch nicht das Problem.
Das Problem sind die Fälle, in denen man es eben nicht hört, sondern eine weitere Ausrede. Und es sind nicht bloß die Ausreden, die viele Menschen verstummen lassen, sondern das, wofür sie stehen: Uneinsichtigkeit. Der Arbeitsvermeider hat immer Recht. Oder wie ein Psychotherapeut flachste: „Du kannst einem, der sich für Jesus hält, nicht ausreden, dass er Jesus ist. Wenn Du ihn aufforderst, übers Wasser zu laufen hat er gerade keine Lust. Wenn er dein Vesperbrot vermehren soll, lehnt es das mit der Begründung ab: Du sollst Gott nicht versuchen! Egal, was du auch sagst: Er hat immer recht. Er ist Jesus. Deshalb nennt man das „Wahnvorstellung“. Jede Diskussion ist sinnlos.“ Quelle: „Ihr kriegt den Arsch nicht hoch“ von Evi Hartmann
Von Hans Klumbies