Ein großer Konkurrent für den Liberalismus war der Kommunismus. Der Schutz der individuellen Selbstbestimmung gehört zu den wichtigsten Grundsätzen des Liberalismus und verbindet ihn mit der Demokratie. Denn dieser Schutz beinhaltet die Gleichheit vor dem Gesetz und das allgemeine Recht auf politische Mitwirkung sowie das Wahlrecht. Seit der Französischen Revolution bestehen starke Spannungen zwischen den Liberalen, die sich dem Schutz der Eigentumsrechte verpflichtet sehen, und einer Linken, die eine Umverteilung von Wohlstand und Einkommen durch einen starken Staat anstrebt. Francis Fukuyama nennt Beispiele: „In demokratischen Ländern wurden diese Zielsetzungen durch sozialistische oder sozialdemokratische Parteien vertreten, die sich auf die aufstrebende Arbeiterbewegung stützten, zum Beispiel die Labour Party in Großbritannien oder die SPD in Deutschland.“ Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart.
In Europa war der aggressive Nationalismus besiegt
Aber der radikaleren Verfechter der demokratischen Gleichheit organisierten sich unter dem Banner des Marxismus-Leninismus und waren gewillt, die liberale Rechtsstaatlichkeit ganz aufzugeben und die Macht einem diktatorischen Staat zu übertragen. Francis Fukuyama erklärt: „Die größte Bedrohung der liberalen internationalen Ordnung nahm nach 1945 in der ehemaligen Sowjetunion Gestalt an, sowie in den mit ihr verbündeten kommunistischen Parteien Osteuropas und Ostasiens.“
Der aggressive Nationalismus mochte in Europa zwar besiegt sein. Er wurde aber zu einer mächtigen Quelle der Mobilisierung in vielen Entwicklungsländern, massiv unterstützt von der UdSSR, China, Kuba und anderen kommunistischen Staaten. Francis Fukuyama fügt hinzu: „Doch die Sowjetunion brach zwischen 1989 und 1991 zusammen, und mit ihr auch die vermeintliche Legitimität des Marxismus-Leninismus.“ China schwenkte unter Deng Xiaoping in eine marktwirtschaftliche Richtung ab und versuchte, sich in die aufblühende liberale internationale Ordnung zu integrieren. Dies taten auch viele ehemals kommunistische Länder, die den bestehenden internationalen Organisationen wir der Europäischen Union und der NATO beitraten.
Die Verelendung des Proletariats trat nicht ein
Francis Fukuyama stellt fest: „Im ausklingenden 20. Jahrhundert war daher eine allgemeine, weitgehend glückliche Koexistenz des Liberalismus und der Demokratie in der gesamten entwickelten Welt zu beobachten.“ Das liberale Bekenntnis zu Eigentumsrechten und Rechtsstaatlichkeit bildete die Grundlage für das starke Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit. Die Verbindung des Liberalismus mit der Demokratie milderte die Ungleichheit, die der marktwirtschaftliche Wettbewerb mit sich brachte.
Der allgemeine Wohlstand ermöglichte es den demokratisch gewählten Gesetzgebern, Wohlfahrtsstaaten zu schaffen, die Umverteilung vornahmen. Francis Fukuyama betont: „So konnte die Ungleichheit unter Kontrolle gehalten und erträglich gemacht werden, da die meisten Menschen eine Verbesserung ihrer materiellen Bedürfnisse erfuhren.“ Die vom Marxismus prognostizierte fortschreitende Verelendung des Proletariats trat nicht ein. Vielmehr erlebten die Mitglieder der Arbeiterklasse steigende Löhne und wandelten sich von Gegnern zu Befürwortern des Systems. Quelle: „Der Liberalismus und seine Feinde“ von Francis Fukuyama
Von Hans Klumbies
