Die modernen Massenmedien verfügen über manipulative Instrumente

„Die Gedanken sind frei!“, das ist, seit sich Axel Braig erinnern kann, eines seiner Lieblingslieder. Aber natürlich weiß er auch, dass dieses Lied unter Naivitätsverdacht steht, und zwar von mindestens zwei Seiten. Auf der einen Seite stehen Kulturphilosophen, die auf die manipulativen Instrumente der modernen Massenmedien hinweisen, die das Denken der Menschen so beeinflussen, dass es immer einförmiger zu werden droht. Schon Herbert Marcuse hat in seinem legendären Buch vor dem „eindimensionalen Menschen“ als Endprodukt der Bewusstseinsindustrie gewarnt. Und mit Sicherheit ist im Internetzeitalter das Instrumentarium, um Menschen zu manipulieren, noch einmal dramatisch gewachsen. Argumentatives Geschütz ganz anderer Art wird von Hirnforschern aufgefahren, die der Meinung sind, dass das Denken und Handeln der Menschen ohnehin vollkommen determiniert sei. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

Naturwissenschaftler wollen meist Ursachen für ein Phänomen finden

Manche Hirnforscher gehen davon aus, dass sich durch Fortschritt in den Naturwissenschaften in absehbarer Zeit das gesamte menschliche Verhalten und Denken als vorherbestimmt beschreiben lässt und sich damit die Vorstellung, dass die Gedanken frei seien, bald als eine naive Illusion erweisen wird. Allerdings überzeugt Axel Braig diese Prognose nicht vollkommen. Denn das Denken von Naturwissenschaftlern ist meist darauf ausgerichtet, Ursachen für ein Phänomen zu finden.

Daher erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass es bald Forscher geben wird, die glauben, Ursachen für das menschliche Determiniertsein gefunden zu haben. Axel Braig fügt hinzu: „Der Beweis aber, dass dies tatsächlich so ist, wäre erst dann geführt, wenn wir alle determinierenden Faktoren des Denkens kennen würden.“ Das könnte vermutlich nur ein Gott, wenn es ihn gäbe, die unendliche Zahl von Determinanten alle erfassen. Bis dahin muss die Vorstellung, dass das menschliche Denken determiniert sei, als eine unbewiesene Hypothese gelten.

Axel Braig behagt die Vorstellung eines determinierten Lebens nicht

Trotzdem sieht Axel Braig keinen Grund, sich über die Unentscheidbarkeit dieser Frage zu ärgern, da sein persönlicher Blickwinkel ohnehin ein anderer ist. Auch wenn einige quasi automatische Abläufe so determiniert sein mögen, dass Axel Braig keinen bewussten Einfluss darauf hat, behagt ihm die Vorstellung nicht, dass sein Leben insgesamt determiniert sei. Wenn ihn etwa die Bedienung im Café fragt, was er denn trinken wolle, möchte er nicht antworten: „Einen Augenblick, ich bin Determinist, ich muss kurz warten, was mein Gehirn entscheidet.“

Nein, selbst wenn es in der Wirklichkeit eine vollkommene Selbsttäuschung wäre, will Axel Braig sein Leben so führen, dass er Erfahrungen sammle, sich mit anderen Menschen austausche, ihre Argumente höre, sich aus all dem selbst einen Reim mache und entscheide, welchen Weg er gehen möchte. Dabei ist er sich seiner Einschränkungen bewusst. Für eine Karriere als Spitzensportler ist er zu alt und seine Begabungen haben ihn nicht dazu prädestiniert, ein großer Künstler zu werden. Quelle: „Über die Sinne des Lebens und ob es sie gibt“ von Axel Braig

Von Hans Klumbies