Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer neuen Studie herausgefunden, dass sich der Abstand von Vermögen und Einkommen zwischen armen und reichen Menschen in Deutschland immer mehr vergrößert. Die Bundesregierung ist laut den Forschungsergebnissen des DIW mitschuldig an der prekären Entwicklung, da sie mit ihrem Sparprogramm hohe Einkommen nicht antastet, die Bezieher niedriger Löhne dagegen belastet. Die Autoren der Studie Jan Goebel, Martin Goring und Hartmut Häußermann stellen fest: „Auf der einen Seite steigt die Zahl der Menschen, die im Luxus leben, und auf der anderen Seite die Zahl derjenigen, die mit niedrigem Einkommen auskommen müssen oder sogar arm sind.“

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in Deutschland immer größer

Bei der deutschen Mittelschicht entstehen durch einen solchen Trend starke Ängste, die mit dem Gedanken verbunden sind, in Hartz IV und somit in die Armut abzurutschen. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Deutsche aus der Mittelschicht in die Unterschicht abgestürzt, in der weniger als 70 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung stehen. Vor zehn Jahren gehörten 18 Prozent der Deutschen zu dieser Gesellschaftsgruppe, im vergangen Jahr waren es schon vier Prozent mehr.

Gleichzeitig stieg der Anteil der Reichen, die mehr als 150 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung haben, im gleichen Zeitraum von 16 auf 19 Prozent. Die Studie kommt zu folgendem Schluss: „Die Reicheren sind nicht nur immer mehr, sondern im Durchschnitt auch immer reicher geworden. Parallel dazu sind die Ärmeren nicht nur immer mehr, sondern auch immer ärmer geworden.“

Die Autoren der Studie stellen fest, dass die mittlere Einkommensgruppe die Verlierer der vergangenen zehn Jahre sind. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger: Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft. Für die Wissenschaftler ist dieser Trend für den Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht ohne Gefahr: „Gerade bei den mittleren Schichten, deren Status sich auf Einkommen und nicht auf Besitz gründet, besteht eine große Sensibilität für Entwicklungen, die diesen Status bedrohen.“

Die Armenviertel in Deutschland werden zunehmen

Wenn diese negative Entwicklung nicht gestoppt wird, ist es für das Forscherteam durchaus möglich, dass sich der Hass auf Ausländer und Fremde in Deutschland ausbreiten wird, weil die Mitglieder der in Panik geratenen Mittelschicht einen Sündenbock für die Wirtschaftsmisere brauchen. Durch das Auseinanderdriften der Einkommen könnte es auch in vielen Städten zu gravierenden Problemen kommen. Denn die wachsende Zahl der Armen in Deutschland kann sich nur noch billige Wohnungen leisten, die nur noch in Hochhaussiedlungen oder vernachlässigten Altbauten zur Verfügung stehen.

Der Stadtsoziologe Hartmut Häußermann konkretisiert diese fatale Entwicklung in der DIW-Studie: „Dort werden sich Quartiere herausbilden, denen das Stigma der Armenviertel anhängt. Solche Armenviertel sind von Resignation und Zukunftspessimismus geprägt, was vor allem für die dort aufwachsenden Kinder und Jugendlichen fatal ist.“ Auch das DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki kritisiert das Sparprogramm der Bundesregierung: „Ausgerechnet in dieser Situation werden diejenigen zur Kasse gebeten, die ohnehin besonders unter der Krise zu leiden haben.“

Von Hans Klumbies