Ingeborg Bachmann war eine literarische Kultfigur

Ingeborg Bachmann war ein Superstar in der Literaturszene in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihr mysteriöser Feuertod hat ihren Mythos nur noch verstärkt. Darin ähnelt sie James Dean, der nach seinem Unfalltod zu einem Heros der Filmgeschichte aufstieg. Für Heinrich Böll war die tragische Dichterin nichts weiter als ein Mädchen, für die Feministinnen ein Vermächtnis der Literatur der Frauen. Inzwischen ist die Legende der Ingeborg Bachmann bei der weiblichen Ästhetik und Identität angelangt. Bei den Meinungen, die über Ingeborg Bachmann kursieren, ist nur eine von Dauer – wer früh stirbt, bleibt ewig jung.

Die zerrissene Dichterin Ingeborg Bachmann

Die Dichterin Ingeborg Bachmann war eine hochintelligente Frau. Sie studierte in Wien Philosophie, Germanistik und Psychologie. Das Studium beendete sie mit „summa cum laude“. Werner Richter, der Leiter der legendären Gruppe 47 lud Ingeborg Bachmann im Mai 1952 zu einer Tagung nach Niendorf an der Ostsee ein, nachdem sie eine Auswahl ihrer Gedichte im Mai desselben Jahres in Wien veröffentlicht hatte. Ihre damalige Lesung wird selbst heute noch als legendär bezeichnet.

Ihre Gedichte zeichneten sich schon damals durch eine unverwechselbare Sprache aus, die allerdings bei ihren Schriftstellerkollegen eine offene Ratlosigkeit hinterließ. Sie trug ihre Gedichte leise und mit stockender Stimme vor. Auf der einen Seite wollte sie geliebt werden, auf der anderen Seite liebte sie die Distanz. Literaturkritiker bezeichneten sie deswegen als eine zerrissene Dichterin. Sie wirkte auf ihre Dichterfreunde hilflos, zerbrechlich und scheu.

Ingeborg Bachmanns Lyrik wird zu Tode gelobt

Dennoch entwickelte sich Ingeborg Dachmann als Vorzeigefrau der Gruppe 47. Ihre Lyrikbände „Die gestundete Zeit“ (1953) und „Anrufung des Großen Bären“ (1956) katapultierten sie endgültig in den Olymp der deutschen Nachkriegsliteratur. Obwohl ihre Gedichte in der Form stringent waren, ließen sie dennoch eine Vielzahl von Assoziationen offen. Ihre Bewunderer fühlten sich beim Lesen an die Dichter der Antike erinnert, oder in die Verswelt Friedrich Hölderlins, Johann Wolfgang von Goethes oder Rainer Maria Rilkes erinnert.

Ingeborg Bachmann selbst konnte nicht viel mit den Lobeshymnen, die auf ihre Gedichte herabprasselten anfangen. Sie war der Auffassung, dass ihre Lyrik ihr einen fatalen Applaus eingebracht hätte, verharmlost worden und zu Tode gelobt worden sei. Die politische Bedeutung ihrer Gedichte wurde von den meisten Menschen verkannt. Allein Bertolt Brecht würdigte das Politische an Ingeborg Bachmann, indem er von folgendem Gedicht „Früher Mittag“ sagte, es hätte von ihm stammen können.

„Sieben Jahre später, in einem Totenhaus, trinken die Täter von gestern den goldenen Becher aus. Die Augen täten dir sinken.“

Kurzbiographie: Ingeborg Bachmann

Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt, im österreichischen Bundesland Kärnten, geboren. Sie besuchte dort das Gymnasium und studierte anschließend in Wien Philosophie, Germanistik und Psychologie. Sie promovierte 1950 mit einer Arbeit über die „kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers“. Zwei Jahre später trat sie zum ersten Mal vor der Gruppe 47 auf und wurde anschließend zu einer literarischen Kultfigur.

Seit 1954 lebte sie immer wieder für länger Zeit in Rom und arbeitete als Korrespondentin für das Radio, veröffentlichte Essays und Hörspiele. Außerdem schrieb sie Opernlibretti für den Komponisten Hans Werner Henze. 1964 erhielt Ingeborg Bachmann den Georg-Büchner-Preis. Nachdem sie sich vom Schweizer Schriftsteller Max Frisch getrennt hatte, wurde die Dichterin von Medikamenten abhängig. Am 17. Oktober 1973 starb die Lyrikerin an den Folgen eines Brandunfalls in Rom.

Von Hans Klumbies