Für Giorgio Vasari (1511 – 1574) ging der Aufschwung der Künste seit drei Jahrhunderten allein von Italien aus. Volker Reinhardt weiß: „Mit seinen Lebensbeschreibungen der wichtigsten italienischen Architekten, Bildhauer und Maler begründete Vasari eine theoretisch fundierte Kunstgeschichte, die ganz auf Italien fixiert war.“ Mit dem Werk Michelangelos erreichte die Entwicklung für ihn ihren einsamen Gipfel. Einflüsse von außen spielen in seiner Darstellung keine wesentliche Rolle. Mitbringsel aus dem Norden konnten zwar kurzfristig Aufsehen erregen, hatten aber keine nachhaltigen Wirkungen. Das gilt etwa für den Altar, den Tommaso Portinari, der Filialleiter der Medici-Bank in Brügge, um die Mitte der 1470er Jahre von Hugo van der Goes malen und in Florenz ausstellen ließ. Er blieb dem Geschmack Italiens auf die Dauer zu fremd. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.
Italien zog viele Künstler von auswärts an
Nach dem Selbstverständnis der italienischen Humanisten war Italien die Kunst- und Kulturnation schlechthin. Volker Reinhardt stellt fest: „Das Land zog Künstler von auswärts zu Studium, Bewunderung und Nachahmung an, doch die italienischen Künstler selbst blieben im Lande. Sie wussten warum: Arbeitsbedingungen wie hier fanden sie nirgendwo sonst.“ Der Nürnberger Albrecht Dürer, der nach Italien reiste, um seinen Stil zu vervollkommnen, sah es genauso: In Deutschland galt ein Maler als Schmarotzer, in Italien genoss er hohes Ansehen.
Ernsthafte Konkurrenz erwuchs dem italienischen Kunstmarkt erst ab 1515. Zu Beginn dieses Jahres starb der französische König Ludwig XII. Sein Nachfolger Franz I. war gerade einmal zwanzig Jahre alt und im Gegensatz zu seinem ältlichen Vorgänger allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. Volker Reinhardt blickt zurück: „In die politischen Wirren und Kriege Italiens war die französische Krone seit zweieinhalb Jahrhunderten verstrickt, vor allem durch das Haus Anjou, das Süditalien von 1266 bis 1442 beherrschte und danach ein Jahrhundert lang vergeblich zurückzugewinnen versuchte.“
Ein Kulturaustausch zwischen Frankreich und Italien fand nicht statt
Ludwig XI. (reg. 1461 – 1483) beschränkte sich darauf, hinter den Kulissen seine Fäden nach und durch Italien zu spinnen. Volker Reinhardt fügt hinzu: „Seine Nachfolger Karl VIII. und Ludwig XII. hingegen zogen an der Spitze ihrer Armeen über die Alpen, um die Erbansprüche auf Neapel und Mailand durchzusetzen, ohne damit dauerhafte Erfolge zu erzielen.“ Auf diesen Expeditionen wurden sie zwar von Diplomaten wie Phillipe de Comynes begleitet, der die politisch und künstlerisch ganz anders geartete Welt Italiens mit großem Scharfsinn beobachtete und analysierte.
Doch von einem fruchtbaren Kulturaustausch konnte bei diesen überwiegend kriegerischen Begegnungen keine Rede sein. Karl VIII. war nicht an Kunst und Literatur interessiert, Ludwig XII. für eine moderne Hofhaltung zu geizig. Volker Reinhardt ergänzt: „Kulturelles Leben fand in seinen Residenzen nicht statt. Seine Höflinge wurden mit kümmerlichen Mahlzeiten abgespeist und zeitig schlafen geschickt, die Ausgaben für repräsentative Zwecke auf ein Minimum reduziert.“ Selbst Pferden und Jagdhunden wurden die Rationen gekürzt. Für überflüssige Kostgänger wie Hofkünstler war da kein Platz. Quelle: „Die Macht der Schönheit“ von Volker Reinhardt
Von Hans Klumbies