Die hohe Kunst des Drehbuchschreibens

Michael Schneider führt in die wichtigsten Filmdramaturgien ein zu zeigt zugleich wie sie von den Meistern des Dramas und des Films in besonderer Weise umgesetzt wurden. An 60 ausgewählten Filmbeispielen werden nicht nur die Besonderheiten des jeweiligen Genres sondern auch die dramatische Struktur und der Erzählstil von bedeutenden Filmregisseuren wie beispielsweise Alfred Hitchcock, Claude Chabrol, Stanley Kubrick, Francis Ford Coppola, Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder oder David Lynch erläutert.

Die dramatische Szenen gehören zu den Grundbausteinen eines Drehbuchs

Das vielgestaltige Genre der Komödie bildet einen Schwerpunkt dieses filmischen Lehrbuchs. Weitere Hauptthemen sind das charakterorientierte Schreiben und die filmische Umsetzung literarischer Vorlagen. Michael Schneider ist seit 15 Jahren Professor im Fachbereich Drehbuch an der Filmakademie Baden-Württemberg. Von ihm stammen unter anderen die preisgekrönte Novelle „Das Spiegelkabinett“ und zwei historische Romane „Der Traum der Vernunft“ und „Das Geheimnis des Cagliostro“. Er beginnt sein Buch passend mit einem Zitat von Hitchcock, der auf die Frage antwortete, welches die Voraussetzungen für einen guten Film seien: „Es gibt drei Vorraussetzungen: 1. Ein gutes Drehbuch. 2. Ein gutes Drehbuch und 3. Ein gutes Drehbuch.“

Im ersten Kapitel beschäftigt sich Schneider mit den Grundlagen und Taktiken der filmischen Dramatisierung. Dazu zählen unter anderen das Prinzip der Verkürzung und Auslassung (Ellipse), das Geheimnis der Partizipation, der Kampf um die Machtfrage, der äußere und innere Konflikt, die Kontrastierung, die dramatische Szene und der Dialog. Die dramatischen Szenen zählt Schneider zu den Grundbausteinen eines Drehbuchs. Dabei gilt die Grundprämisse des Dramatischen: Jemand will unbedingt etwas haben oder erreichen und hat Schwierigkeiten, es zu bekommen.

Die „Dramaturgie der Heldenreise“ hat viele Filmemacher stark beeinflusst

Im zweiten Abschnitt geht der Autor auf die Bedeutung von Mythos und Märchen auf die Filmstory ein. Er definiert den Mythos in seinem ursprünglichen Sinn als eine Metapher für die Mysterien und großen Welträtsel der Schöpfung und des Todes. In fast allen Mythen und Märchen spielt das Motiv des Heilens, des Widerheil-Werdens, eine entscheidende Rolle. Filme von George Lucas, Steven Spielberg; David Lynch und anderen sind mythische Erzählungen und nach deren dramatischen Mustern komponiert.

Großen Einfluss auf diese Filmemacher hatte die „Dramaturgie der Heldenreise“, die der Amerikaner Christopher Vogler entwickelte. Der Held legt auf seiner Filmreise folgende Stationen zurück: Die gewöhnliche Welt, die Berufung, die Weigerung, der Mentor, das Überschreiten der ersten Schwelle, die Proben, der Verbündete, die Feinde, die Annäherung an die geheimste Höhle, die äußerste Prüfung, die Belohnung, die Rückkehr, die Reinigung, die Katharsis, die Auferstehung, die Rückkehr mit dem Elixier.

Der Aufbau einer Story und die Feinmechanik der Dramaturgie

Der dritte Teil des Buchs handelt vom Story-Aufbau und der dramaturgischen Feinmechanik und beginnt mit der Struktur der drei Akte, die sich aus Exposition, der Entwicklung und dem Höhepunkt zusammensetzt. Der Autor erklärt unter anderem die Faustregeln einer guten Exposition, das Motiv des Hauptcharakters, die Funktion des Wendepunkts, Plot und Subplot, Kulmination und Charakterwandel.

Im vierten Kapitel geht es um das charakterorientierte Schreiben und im darauf folgenden Teil wird gezeigt, welche dramatischen Enthüllungstechniken und Erzählmuster die Meister des Dramas und des Films benutzen. Als Beispiele hat Schneider unter anderen „Das Chinesische Roulette“ von Rainer Werner Fassbinder und „Wilde Erdbeeren“ von Ingmar Bergmann ausgewählt.

Die 17. wichtigsten Gebote für eine gute Komödie

In den Kapiteln sieben und acht ist die Filmkomödien die Hauptdarstellerin. Schneider skizziert im siebten Teil die Voraussetzungen des Komischen und beantwortet die Frage, ob man über Schreckliches lachen darf. Er erläutert die Eigenschaften der Intrigen- und Charakterkomödie und die Prinzipien des komischen Konflikts. Sehr schön ist der kleine Ratgeber in Sachen Komödie, der die 17 wichtigsten Gebote für eine gute Komödie auf einen Blick zusammenfasst.

Im letzten Kapitel stellt der Autor Komödienmuster und meisterliche Komödien vor. Es gibt unter anderen die komische Slapstick Komödie, zu der „Modern Times“ von Charlie Chaplin zählt. Ein Beispiel für die Komödie als Therapie ist Woody Allens „Annie Hall“. Ernst Lubitschs Film „Blaubarts achte Frau“ gehört laut Schneider in die Rubrik Screwball-Comedy. Von der Kraft der ironischen Farce lebt Helmut Dietls Film „Schtonk“.

Michael Schneider widmet das Buch zwar seinen Studenten, für die es Pflichtlektüre sein sollte und auch sein wird. Doch „Vor dem Dreh kommt das Buch“ ist für jeden Leser interessant, der gerne ins Kino geht und die Struktur der Filmhandlung besser durchschauen möchte. Menschen, die filmsüchtig sind, und solche soll es nicht wenige geben, haben das Buch bestimmt schon in der 1. Auflage in ihrem Bücherregal stehen.

Vor dem Dreh kommt das Buch
Michael Schneider
Verlag: UVK
Broschierte Ausgabe: 375 Seiten, Auflage 2: Mai 2007
ISBN: 978-3-89669-680-9, 24,90 Euro

Von Hans Klumbies