Die Grundrechte sind in Deutschland unverletzlich

Generell gilt mit Blick auf die Bundesrepublik unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers das Gegenteil von Restauration. Das Grundgesetz war die politische und juristische Antithese zur Weimarer Verfassung. Josef Joffe stellt fest: „Grundsätzlich gilt, dass auf dem Boden der Adenauer-Republik die erste solide verankerte liberale Demokratie mit klar begrenzter Staatsmacht entstand.“ Grundrechte durften überhaupt nicht angetastet werden; Änderungen der Verfassung, die in Weimar von Präsident oder Parlament verfügt werden konnten, erfordern eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Das Naziregime hatte die Gewaltenteilung eingestampft, das Grundgesetz hat sie in Beton gegossen. Dito den Rechtsstaat, ein kompliziertes Gebilde der deutschen und europäischen Jurisprudenz, das endlose philosophische Debatten erzeugt hat, das heißt machtbegrenzten Staat. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

Der Herrscher steht nicht über dem Gesetz

Was in der Bundesrepublik heranwuchs, lässt sich am einfachsten mit dem angelsächsischen Begriff „rule of law“ fassen. Der besagt knapp: Der Herrscher steht unter, nicht über dem Gesetz. In der sogenannten Spiegel-Krise wurde die Gewaltenteilung getestet, und die Judikative setzte sich gegen die Exekutive durch. Dies ließ bereits 1962 die gewaltige Distanz erkennen, die Bonn von Weimar trennte. Denn in der Weimarer Republik gehörte die Macht in der Praxis der Exekutive, die sogar Grundrechte per Notverordnung aufheben konnte. Die sind in der Bundesrepublik unverletzlich.

Josef Joffe erläutert: „Stein geworden ist das Prinzip der Gewaltenteilung im Karlsruher Bundesverfassungsgericht (BVG). Seine Befugnisse gehen weit über jene des Weimarer Staatsgerichtshofs hinaus. Karlsruhe darf Gesetze und Dekrete der Exekutive aufheben.“ Das BVG hat das letzte Wort darüber, ob Parlamente und Regierungen das Grundgesetz einhalten. Es ist die letzte Instanz, wo es um die Auslegung der Verfassung geht. De facto ist das Verfassungsgericht im Laufe der Jahrzehnte sogar zur höchsten politischen Instanz geworden.

Bis 1950 kamen Millionen Flüchtlinge nach Deutschland

Grundsätzlich gilt: Trotz mancher Klagen über den Interventionismus, gar unangemessene Machtaneignung genießt das BVG höchsten Respekt unter den Institutionen der Bundesrepublik. Drei Viertel der Deutschen bekunden ihr Vertrauen in die Roten Roben. Manche sprechen sogar von der „Karlsruher Republik“, die nachgerade Lichtjahre von Weimar und Wilhelminien entfernt ist. Dazu kam die Politik der Entschädigung und Eingliederung, die eine hässliche Variante des Rückfalls in finstere Zeiten verhindert hat.

Der Lastenausgleich und die Integration haben diesen Sprengsatz dauerhaft entschärft. Bis 1950 kamen etwa zwölf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten und Tschechien, davon acht Millionen nach Westdeutschland. Entscheidend für das künftige Wohl und Wehe der Bundesrepublik war deren Verteilung im ganzen Land, wie sie zunächst von den Alliierten, dann von den deutschen Behörden betrieben wurde: 150.000 in diesem Land, 500.000 in jenem, je nach Größe. Die Hauptlast trugen naturgemäß die großen Flächenstaaten Bayern und Niedersachsen mit je knapp zwei Millionen, aber sorgfältig verstreut über das ganze Gebiet. Quelle: „Der gute Deutsche“ von Josef Joffe

Von Hans Klumbies

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