Die Gleichberechtigung der Geschlechter hat Verfassungsrang

Jede Form einer Diskriminierung der Frau ist in Deutschland verboten, insofern haben sich alle Kulturfremden im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis diesem deutschen Normverständnis unterzuordnen. Christian Schüle erläutert: „Die Gleichberechtigung der Geschlechter hat Verfassungsrang, und die auf der Verfassung aufbauende Rechtsordnung schützt Mann wie Frau gleichermaßen vor Einschränkungen ihrer Freiheit und Herabsetzung ihrer Würde.“ In Deutschland wie in Europa existiert das Grundrecht expliziter Gleichberechtigung der Geschlechter als Rechtsanspruch auf bedingungslose Würde, in islamischen Ländern hingegen wird meist gleiche menschliche Würde von gleichen Rechten getrennt betrachtet. Wer das thematisiert und artikuliert, ist weder Nationalist noch Fremdenfeind. Jenseits von Polit-Korrektheit und Apokalypse-Geraune darf bei nüchterner Betrachtung ja durchaus die Frage erlaubt sein, wie man einen allgemeine moralische Hilfspflicht gegenüber Menschen die an Leib und Leben bedroht sind, mit einem Regelwerk für kontrollierte Zuwanderung jener, die nicht asylberechtigt und arbeitswillig sind, in Einklang bringt. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

Alle Fremden haben menschenrechtlich Ansprüche auf Flüchtlingshilfe

Das Verhältnis von Territorialrechten und Migrationsethik ist glücklicherweise seit Längerem Gegenstand akademischer Reflexion. Auf der Grundlage der kantischen Philosophie etwa bemerkt der Philosoph Mathias Hoesch: „Jeder Staat, der einen Teil der Erde als Staatsgebiet exklusiv für sich beansprucht, tut nichts weiter als seine Schuldigkeit, wenn er eine angemessene Verantwortung gegenüber der Menschheit im Ganzen übernimmt.“ Demnach ist Flüchtlingshilfe kein Akt moralischen Großmuts, sondern so Mathias Hoesch nach Immanuel Kant, die angemessene Reaktion auf menschenrechtliche Ansprüche aller Fremden.

Immanuel Kant selbst hatte in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ (1795) den moralischen Grundsatz der Hospitalität als Weltbürgerrecht universal gültig begründet: „Niemand hat an einem Ort der Erde zu sein mehr Recht als der andere.“ Und weiter: Jeder habe das ursprüngliche Recht, an irgendeinem Ort der Welt zu sein, an den er ohne Willkür hingekommen ist. Das kantische Weltbürgerrecht sichert folglich jedem Menschen seinen Anteil am „gemeinschaftlichen Besitz der Oberfläche der Erde“, auf der sich alle Menschen nebeneinander zu dulden hätten.

Immanuel Kant hat sich für Völkerbund und Föderalismus ausgesprochen

Lässt sich dies als Grundlegung eines dauerhaften Aufenthalts lesen? Nein, nicht wirklich, geht es darin doch um eine Art Gastrecht, um Gastfreundschaft und den kurzfristigen Aufenthalt. Immanuel Kant hatte einen Völkerstaat wie auch eine Weltrepublik bekanntlich ausgeschlossen und sich deutlich für Völkerbund und Föderalismus ausgesprochen. Den Anspruch eines moralisch durch das Weltbürgerrecht legitimierten Aufenthalts könnte man sich freilich dennoch solange leisten, bis die Kontingente der Aufnahmefähigkeit erschöpft sind.

Hospitalität kann in Hostilität kippen. Der Mensch an sich ist unberechenbar, und Aufnahmebereitschaft endet, wenn eine kritische Masse erreicht ist. Wenn auf einen Schlag zu viele kulturfremde Menschen pro Einheit Heimat auftauchen, darf man vermuten, setzt der anthropologische Revier-Reflex ein. Viele, wenn nicht die meisten Studien von Entwicklungsökonomen und Migrationsforschern zeigen, dass Integration umso schwerer wird, je größer und homogener die Gruppe der Einwanderer ist. Quelle: „Heimat“ von Christian Schüle

Von Hans Klumbies