Die Eurokrise hat sich gewandelt und ist noch lange nicht vorbei

In der Eurokrise scheint sich vieles zum Guten zu wenden. Der erstarkende Euro ist nur eines von vielen Zeichen dafür, dass sich die internationale Aufregung um die europäische Währung beruhigt. Selbst sie Staaten Südeuropas können sich auf den Devisenmärkten wieder Geld zu niedrigeren Zinsen leihen. So sank zum Beispiel die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen Portugals erstmals seit Dezember 2010 unter sechs Prozent. Zudem legte Portugal seit langem wieder eigene Anleihen auf. Auch an den Aktienmärkten herrscht eine hervorragende Stimmung. So stieg beispielsweise der europäische Index Eurostoxx seit Juli 2012 um 26 Prozent. Einige Banken zahlen sogar vorzeitig Kredite zurück, die sie von der Notenbank erhalten hatten. Und vom Internationalen Währungsfond kommt die mutige Aussage, dass Griechenland nach 2014 keine neuen Geldspritzen mehr benötigen werde.

Die Finanzkrise legt laut Hans-Werner Sinn nur eine Pause ein

Für den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, war das Jahr 2012 sogar dasjenige, in dem der Euro neu gestartet wurde. Er glaubt, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum in der zweiten Jahreshälfte 2013 anziehen werde. Auch der Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain, teilt diesen Optimismus und sagt: „Die aktuelle Phase der Krise liegt hinter uns.“ Auch wenn es so aussieht, als wäre die Eurokrise vorbei, so ist dies leider noch lange nicht der Fall.

Hans-Werner Sinn, der Münchner Ökonom und Boss des Münchner Ifo-Instituts beurteilt die aktuelle Lage längst nicht so positiv wie die beiden Banker. Er sagt: „Die Finanzkrise legt nur eine Pause ein.“ Er sieht drei Gründe für die momentane Ruhe. Erstens hat das Bundesverfassungsgericht die Klagen gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm abgelehnt. Zweitens hat die EZB angekündigt, notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Problemstaaten zu kaufen. Und drittens, dass der Rettungsschirm nun auch Südeuropas Banken rekapitalisieren kann.

Hohe Schulden und mangelde Wettbewerbsfähigkeit prägen die Eurokrise nach wie vor

Es ist aber offensichtlich, dass auf diese Art und Weise die Eurokrise nicht gelöst werden kann. Denn die wirklichen Probleme wie zum Beispiel die hohen Schulden der südeuropäischen Staaten und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft sind nach wie vor vorhanden. Die Eurokrise ist nicht vorbei, sie hat nur ihr Aussehen verändert. Sie ist zwar ruhiger geworden, hat dadurch allerdings nichts von ihrem Bedrohungspotential verloren. Die neue Phase der Eurokrise zeichnet sich durch niedriges Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig sehr niedrigen Zinsen und hoher Staatsverschuldung aus.

Andreas Höfert, der Chefvolkswirt der Schweizer Großbank UBS, fordert: „Die Volkswirtschaften Südeuropas, öffentliche wie private Haushalte, müssen sparen und sich entschulden. Das wird auf längere Sicht das Wachstum Europas bremsen.“ Zugleich dürften seiner Meinung nach die Leitzinsen der EZB lange niedrig bleiben. In Europa wird Stagnation und Schrumpfung bei niedrigen Zinsen für den Süden Europas befürchtet, nicht für den Norden, der sich eher vor Inflation sorgt.

Von Hans Klumbies