Durch Homöostase entwickeln sich die Gene

Der Mensch hat sich schon immer mit Schmerzen, Leiden und dem sicheren Tod auseinandergesetzt. Er tat dies als Gegensatz zu der unerreichten Möglichkeit von Wohlergehen und Gedeihen. Diese Gedanken dürften bei den Menschen hinter manchen kreativen Prozessen gesteckt haben, aus denen die heutigen, verblüffend komplexen Instrumente der Kultur hervorgegangen sind. Wenn man Menschenaffen beobachtet, spürt man, dass es Vorläufer des kulturellen Menschseins gibt. Antonio Damasio erläutert: „Schimpansen können einfache Werkzeuge herstellen. Sie nutzen sie auf intelligente Weise für die eigene Ernährung und geben die Erfindungen sogar auf visuellem Weg an andere weiter.“ Bevor in der Evolution die ersten kulturellen Ausdrucksformen entstehen konnten, musste man auf die evolutionäre Entwicklung von Geist und Gefühlen warten. Einschließlich des Bewusstseins, mit dem das Gefühl subjektiv erlebt werden konnte. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

Für Talcott Parsons ist das Gehirn die Basis der Kultur

Und weitere Zeit war für die Entwicklung einer gesunden Dosis Geist geleiteter Kreativität erforderlich. In den Gefühlen offenbart sich für jeden einzelnen Geist der Zustand des Lebens innerhalb des jeweiligen Organismus. Das ist ein Zustand, der seinen Ausdruck entlang eines Spektrums vom Positiven bis zum Negativen findet. Antonio Damasio erklärt: „Gefühle haben alle Lebewesen, die mit einem Geist und einem bewussten Blickwinkel ausgestattet sind. Sie haben das subjektive Erlebnis des Lebenszustandes, das heißt der Homöostase. Wir können uns die Gefühle als mentale Stellvertreter der Homöostase vorstellen.“

Talcott Parsons ist einer der angesehensten Soziologen des 20. Jahrhunderts. Er ist für Antonio Damasio ein gutes Beispiel dafür, wie Gefühle im Zusammenhang mit dem Kulturbegriff vernachlässigt wurden. Für ihn ist das Gehirn die organische Grundlage der Kultur. Denn es ist „das wichtigste Organ, das komplexe Handlungen und insbesondere manuelle Fähigkeiten steuert. Zudem koordiniert es visuelle und akustische Informationen“. Vor allem aber sei das Gehirn „die organische Grundlage der Fähigkeit, zu lernen und Symbole zu handhaben“.

Die Homöostase ist der umfassende Regulator des Lebens

Homöostase hat unbewusst, ohne Absicht und ohne vorherige Planung die Selektion der biologischen Strukturen und Mechanismen gelenkt. Diese sind nicht nur in der Lage, das Leben aufrechtzuerhalten, sondern auch die Evolution von Arten an den verschiedenen Ästen des Stammbaums der Evolution voranzubringen. Diese Vorstellung von der Homöostase, die am besten zu den physikalischen, chemischen und biologischen Befunden passt, unterscheidet sich bemerkenswert stark von der üblichen, verarmten Konzeption, wonach die Homöostase sich auf eine „ausgewogene“ Regulation der Lebensvorgänge beschränkt.

Nach der Überzeugung von Antonio Damasio war die unerschütterliche Notwendigkeit der Homöostase der umfassende Regulator des Lebens in allen seinen Erscheinungen: „Homöostase war die Grundlage für den Wert hinter der natürlichen Selektion, und diese begünstigt ihrerseits die Gene, Organismen oder Gruppen, die eine besonders innovative, effiziente Homöostase aufweisen. Die Entwicklung des genetischen Apparats, der dazu beiträgt, das Leben optimal zu regulieren und an Nachkommen weiterzugeben, ist ohne Homöostase nicht vorstellbar.“ Quelle: „Am Anfang war das Gefühl“ von Antonio Damasio

Von Hans Klumbies