Hass ist die primitivste aller Emotionen

Reinhard Haller definiert den Hass in seinem neuen Buch „Die dunkle Leidenschaft“ wie folgt: Es handelt sich dabei um eine „auf Zerstörung ausgerichtete Abneigung, die destruktivste Form der Verachtung“. Als intensives Empfinden von Feindseligkeit und Aggressivität äußert sich Hass beispielsweise in toxischem Schweigen oder verbalen Attacken. Er kann zu heftigen zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen und Gesellschaftskonflikten führen. Weitere Formen des Hasses sind Diskriminierung und Mobbing, am schlimmsten Verbrechen und Krieg. Hass ist tatsächlich eine Leidenschaft, die nichts als Leiden schafft. Hass ist die primitivste aller Emotionen – ein Trieb zur Grausamkeit, wie ihn Sigmund Freud bezeichnet hat. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).

Neid und Eifersucht zählen zu den Wurzeln des Hasses

Es gibt laut Reinhard Haller mehrere große Wurzeln, die gehäuft Hass auslösen oder diesen verstärken. Im Einzelnen sind dies Neid und Eifersucht – von Friedrich Nietzsche als „Schamteile der menschlichen Seele“ bezeichnet –, weiters Gier und Rache. Rache und Hass werden oft in einem Atemzug genannt. Sie verhalten sich wie zwei in einem kommunizierenden Gefäß verbundene Giftbecher. Aus Arabien stammt der folgende Aphorismus: „Liebe sieht scharf. Hass sieht schärfer. Eifersucht sieht am schärfsten, denn sie ist Liebe plus Hass.“

Es gibt einige Elemente, die den Charakter des Hasses prägen. Reinhard Haller zählt dazu eine destruktive Aggression, die Ausschaltung der Empathie sowie die Übertönung differenzierter Gefühle und Gedanken. Außerdem gehören dazu die Leitung durch böse Gedanken, Grausamkeit und Besonderheiten im zeitlichen Verlauf. Hass ist zudem eine Aggression, eine Sonderform der das menschliche Wesen antreibenden Vitalenergie. Im Fall des Hasses aber keine konstruktive und kultivierte, sondern eine triebhafte und primitive, vor allem eine destruktive.

Verzeihen ist die edelste Methode der Hassbewältigung

Die Überwindung des Hasses beginnt für Reinhard Haller bei jedem Einzelnen. Die folgenden Schritte helfen dabei: Erkennen und sich dazu bekennen, ansprechen und benennen, Ursachen analysieren, sich in die gehassten Personen hineinfühlen sowie die Folgen bedenken. Außerdem sollte man seine Mitmenschen ganzheitlich betrachten, Aggressivität konstruktiv nutzen, Humor einschalten, loslassen und verzeihen. Die wirksamste und edelste Methode der Hassbewältigung ist das Verzeihen.

Reinhard Haller betont: „Wenngleich der paradiesische Zustand einer hassfreien Gesellschaft nie realisierbar sein wird, gehört die Überwindung des Hasses zu den wichtigsten Zielen der Zivilisation.“ An die Gesellschaft ist die Forderung zu richten, den Hass nicht zuzulassen oder zu schüren. Die Förderung der Empathie und damit die Prävention des Hasses kann durch die drei Z nicht früh genug beginnen: Zuwendung, Zärtlichkeit und Zeit. Kurz vor seinem Tod bilanzierte der große Astrophysiker Steven Hawking: „Die Empathie bringt uns zusammen, und zwar in einen ruhigen und friedlichen Zustand.“

Die dunkle Leidenschaft
Wie Hass entsteht und was er mit uns macht
Reinhard Haller
Verlag: Gräfe und Unzer
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten, Auflage: 2022
ISBN: 978-3-8338-8022-3, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies