Jeremy Rifkin schreibt: „Die Objektivierung der Zeit durch Zeitplan und Uhr und die Verwendung der Perspektive in der Malerei beschleunigten den Prozess der Inbesitznahme und Privatisierung des Raums.“ Eine ebenso bedeutende Rolle hierbei spielte auch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, so wie später das Telefon Ende des 19. und das Internet Ende des 20. Jahrhunderts. Die Druckerpresse ermöglichte die Alphabetisierung Europas und später der ganzen Welt. Sie erlaubte Millionen räumlich und zeitlich weit voneinander entfernten Menschen, über das Medium des gedruckten Worts still miteinander zu kommunizieren. Das Lernen aus Büchern war eine einsamere und zerebralere Angelegenheit als in der mündlichen Kultur. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington.
Die mündliche Kommunikation ist flüchtig
Lesen ist etwas, das man im Stillen und für sich tut. Die mündliche Kommunikation ist flüchtig, doch gedruckte Bücher sind von Dauer und ermöglichen es uns, Worte und Gedanken festzuhalten, aufzubewahren und später zu konsultieren. Jeremy Rifkin fügt hinzu: „In mündlichen Kulturen muss die Kommunikation im Gedächtnis abgelegt werden und kann nur begrenzt wieder abgerufen werden. Deshalb verwenden mündliche Kulturen Mnemotechniken und Reim, um ihr Wissen aufzubewahren.“
Der Buchdruck beanspruchte den Geist auf neue Weise und förderte vor allem die Reflexion. Jeremy Rifkin erklärt: „Leser können die Kommunikation an jedem beliebigen Punkt unterbrechen, darüber nachdenken und zurückblättern, um frühere Informationen nachzulesen. Das öffnet die menschliche Vorstellungkraft für ganz neue Denkweisen.“ Die Erfindung des Buchdrucks stärkte auch den Gedanken der individuellen Urheberschaft und gab Autoren die Möglichkeit, ihre Worte mit Hilfe des Urheberrechts als ihr Eigentum zu deklarieren.
Bücher fangen die Zeit ein und binden sie
In früheren Epochen wäre es absurd erschienen, ein Eigentumsrecht auf einen Satz beanspruchen zu wollen. Jeremy Rifkin ergänzt: „Vormoderne Philosophen sahen in ihren Gedanken keine „originellen Erzeugnisse“, sondern Offenbarungen, die im Traum oder in Momenten des Staunens aus dem Äther über sie kamen.“ Urheberschaft stärkte dagegen die Vorstellung eines autonomen Individuums – jeder Mensch ist Eigentümer seiner einmaligen Kommunikation mit anderen.
Buchdruck und Alphabetisierung revolutionierten auch das Geschäftsleben. Im Mittelalter schloss man Geschäfte vorwiegend durch mündliche Vereinbarungen ab. Aufgrund der begrenzten Reichweite agierten die meisten Geschäftsleute regional. Jeremy Rifkin stellt fest: „Ihre Geschäftsgrundlage war die persönliche Beziehung. Schriftliche Aufzeichnungen galten als weniger vertrauenswürdig, die Zahlen und Vereinbarungen mussten den Beteiligten laut vorgelesen werden, um ihre Echtheit zu gewährleisten.“ Bücher fangen die Zeit ein und binden sie. Ein Buch hat die Aura der Beständigkeit und Dauer. Selbst im heutigen Digitalzeitalter stehen vielen Menschen die Haare zu Berge, bei dem Gedanken, ein Buch zu zerreißen oder in den Müll zu werfen. Quelle: „Das Zeitalter der Resilienz“ von Jeremy Rifkin
Von Hans Klumbies