Der Weise legt viel Wert auf Dankbarkeit

Seneca weist auf einen Gesichtspunkt hin, der den Umgang mit einem schweren Schicksal erleichtern kann. Es ist die Dankbarkeit für das, was einem das Leben bisher gegeben hat. Albert Kitzler erläutert: „Anstatt auf Zukünftiges zu hoffen, sollten wir unsere Aufmerksamkeit mehr auf die vorhandenen Güter richten und dankbar sein für das, was wir haben.“ Seneca meint, dass die Menschen häufig dem Schicksal gegenüber ungerecht sind, wenn sie ein unterschiedliches Maß anlegen an das, was ihnen gewährt und was ihnen vorenthalten wird. Sie haben die Tendenz, das Gewährte gering zu achten und zu viel zu verlangen: „Niemand weiß Dank zu erstatten außer dem Weisen.“ Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

Man sollte immer wieder an schöne Augenblicke denken

Albert Kitzler stellt fest: „Wir geben unseren Gedanken eine falsche Richtung, wenn wir oft an Güter denken, die wir nicht haben, anstatt die gegenwärtigen Güter zu genießen, zurückzublicken und Freude an dem zu empfinden, was uns in der Vergangenheit Gutes widerfahren ist.“ Seneca beruft sich auf den griechischen Philosophen Epikur, den Meister des wahrhat freudvollen Lebens. Woran ein Mensch Freude empfindet, ist keineswegs festgeschrieben.

Wenn man beispielsweise immer wieder an schöne Erlebnisse zurückdenkt und sich bewusst macht, wie dankbar man dafür sein muss, so schärft man seine Sensibilität für das Gute, das einem geschenkt wird. Gleiches gilt für die schönen Augenblicke, die einem das Leben immer wieder bietet. Niemand sollte unachtsam darüber hinweggehen und sie nicht als selbstverständlich hinnehmen. Wer sie sich immer wieder ins Bewusstsein holt, verändert im Laufe der Zeit seine Haltung.

Selbst aus einem Missgeschick kann man noch etwas Gutes machen

Jeder sollte auf die guten Momente des Tages aufmerksam werden und sie genießen. Auf diese Weise mehrt man die Geschenke des Schicksals. Albert Kitzler ergänzt: „Gleichzeitig mindern sich die seelischen Auswirkungen von Missgeschicken und unsere Ausrichtung auf die Zukunft mit all dem ungewissen Hoffen und Bangen.“ Wer den nötigen Abstand zu den Zufällen und Missgeschicken des Schicksals gewonnen hat und eine gewissen Leichtigkeit und Gelassenheit mit ihnen umzugehen erworben hat, bei dem wächst die Fähigkeit und Bereitschaft, selbst aus einem Missgeschick noch etwas Gutes zu machen.

Selten ist dies, was geschieht, nur gut oder nur schlecht. Wenn einen aber ein Ereignis niederdrückt und aus dem Gleichgewicht bringt, dann verliert man damit die Fähigkeit und die Fantasie, etwas Gutes, Nützliches oder Lehrreiches darin zu entdecken. Seneca drückt das so aus: „Kurz alles, was den anderen als Unglück erscheint, wird sich mildern und zum Guten umwandeln, wenn du dich darüber zu erheben weißt. Wir sollten alles, was da kommen mag, mit edler Fassung über uns ergehen lassen ohne Klage über das Schicksal, vielmehr bereit, alles Schlimme zum Besten auszulegen.“ Quelle: „Leben lernen – ein Leben lang“ von Albert Kitzler

Von Hans Klumbies