Der Schlüssel zur Intelligenz ist noch nicht gefunden

Je nach dem Design eines IQ-Tests kann die gemessene Intelligenz völlig unterschiedlich ausfallen. Das ist das große Dilemma der Intelligenzforschung. Fragt man fünf Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet forschen, nach einer Definition von Intelligenz, so bekommt man fünf verschiedene Antworten. Für die einen ist Intelligenz die Fähigkeit, komplizierte Aufgaben rasch zu lösen, andere definieren Intelligenz über die Stärke des Abstraktionsvermögens. Wieder andere Forscher legen bei der Intelligenz Wert auf soziale und emotionale Fähigkeiten. Das sind alles Teilwahrheiten, das Rätsel der Intelligenz ist noch nicht vollständig gelöst. Weder Psychologen, Soziologen noch Hirnforscher haben bis heute schlüssig beweisen können, warum der eine Mensch einen besonders hohen IQ besitzt, während der andere immer ein Normalgeist bleibt.

Die Gene beeinflussen die Intelligenz eines Menschen

Es gibt allerdings einige Fakten, die nach dem jetzigen Stand der Forschung, gültig sind: Dazu zählt, dass es bei der Intelligenz einen erblichen Anteil gibt. Eineiige Zwillinge, die in verschiedenen Familien aufwachsen, haben eine sehr ähnliche Intelligenz. Die Hirnforscher haben außerdem herausgefunden, dass es keine einzelnen Intelligenzgene gibt. Offensichtlich wirken sich vor allem jene Gene auf die Intelligenz aus, die für die Gehirnstruktur verantwortlich sind.

Wer am schnellsten komplexe Probleme lösen kann, schneidet bei IQ-Test in der Regel sehr gut ab. Die Nervenzellen sorgen dabei für die schnelle Verarbeitung der Informationen im Gehirn. Die neuronale Architektur des Gehirns und damit die Denkgeschwindigkeit ist also ein entscheidender Faktor für die Intelligenz. Sie wird über die Gene mitbestimmt, die Eltern ihren Kindern vererben.

Der rätselhafte Flynn-Effekt

Der Einfluss der Gene ist ein Fakt, doch sie allein bestimmen noch lange nicht den Intelligenzquotienten eines Menschen. Heute glauben die meisten Intelligenzforscher, dass sich die Intelligenz zu 50 Prozent auf die Gene zurückführen lässt, während die anderen 50 Prozent von Umweltfaktoren beeinflusst werden. Das kann das soziale Umfeld eines Menschen sein, von der Ernährung abhängen oder von den Verhältnissen im Mutterleib bestimmt werden.

Ein Phänomen, mit dem sich Intelligenzforscher schon seit Jahrzehnten auseinandersetzen, ist der so genannte Flynn-Effekt. Der neuseeländische Politologe James Flynn fand bereits in den 80iger Jahren heraus, dass die Intelligenz der Weltbevölkerung ständig steigt. Und zwar in jedem Jahrzehnt um drei Punkte. Die Erklärung von James Flynn für diesen Effekt lautet: „Die Menschheit hat in den vergangenen Jahrzehnten den Umgang mit Zeichen, mit abstraktem Denken, Symbolen und Klassifikationen geübt und gelernt.“

Infektionskrankheiten behindern die Entwicklung des Gehirns

James Flynn behauptet außerdem, dass der durch die Gene festgeschriebene Unterschied in der Intelligenz nur etwa 25 Prozent der IQ-Unterschiede erklären könne. Christopher Epping von der New Mexiko Universität in Albuquerque erklärt die scheinbar rasch zunehmende Intelligenz in den Entwicklungsländern mit einer biologischen Erkenntnis: „Die weltweite Verteilung von kognitiven Fähigkeiten hängt zu großen Teilen von der Anfälligkeit für Infektionskrankheiten der jeweiligen Region ab.“

In Regionen der Welt, in denen Kinder ständig gegen Infektionskrankheiten kämpfen müssten, kann der Körper einfach weniger Energie für die Entwicklung des Gehirns zur Verfügung stellen. Das Gehirn ist das Organ des Menschen, das die meiste Energie verbraucht. Bei Neugeborenen sind es 87 Prozent der Stoffwechselenergie. Steigt die Hygiene in den Entwicklungsländern, gehen die Infektionen zurück und das Gehirn kann sich besser entwickeln. Die Intelligenz eines Menschen hängt also bei weitem nicht von seinen Genen ab.

Von Hans Klumbies