Die meisten Menschen haben eine schwierige und unklare Beziehung zu den Wirtschaftswissenschaften. In den Nachrichten hören sie oft von irgendeiner ökonomischen Voraussage, die sich inzwischen als völlig falsch herausgesellt hat. Oder sie erfahren von einer wirtschaftlichen Maßnahme, die nicht die Versprechungen des Ökonomen erfüllen kann, der sie empfohlen hat. Und doch ist in der jüngeren Geschichte zu beobachten, dass sie den Ideen von Ökonomen immer mehr Ehrfurcht entgegenbringen. Jonathan Aldred stellt fest: „Einstmals umstrittene ökonomische Denkweisen sind in unseren Alltag eingeflossen. Unsere Beziehung zu den Wirtschaftswissenschaften ist eine Hassliebe. Und sie ist zutiefst ungleich.“ Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.
Die Ökonomie ist dem gesunden Menschenverstand überlegen
Viele Ökonomen scheinen sich selbst als Außenseiter zu sehen, als wissenschaftliche Beobachter der Gesellschaft. Diese sehen dann auf die normalen Bürger mit dem überlegenen, emotionslos prüfenden Blick eines Charles Darwin herab, der einen aufgespießten Käfer unter die Lupe nimmt. Jonathan Aldred weiß: „Manche Ökonomen geben offen zu, dass sie normale Menschen für dumm halten. Der MIT-Ökonom Jonathan Gruber hat behauptet, ein kürzlich verabschiedetes Gesetz zur Gesundheitsvorsorge sei absichtlich „gequält“ formuliert worden, um es unverständlich zu machen, in Anbetracht der Dummheit der amerikanischen Wähler.“
Eine britische Ökonomin beendete ihr populärwissenschaftliches Buch mit „Zehn Regeln ökonomischen Denkens“, von denen eine lautet: „Die Ökonomie ist dem gesunden Menschenverstand in der Regel überlegen.“ Der libertäre Ökonom Bryan Caplan geht noch weiter: Er widmet sein ganzes Buch „The Myth of the Rational Voter“ dem „Mythos des rationalen Wählers“ und behauptet darin, Nichtökonomen würden immer wieder unter tendenziösen Vorurteilen leiden.
Die Allgemeinheit will die Vorzüge des freien Handels nicht wahrhaben
Bryan Caplan zählt folgende Vorurteile auf: „Voreingenommenheit gegen freie Märkte, ausländische Produkte, subventionierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie einen generellen Pessimismus.“ Jonathan Aldred fügt hinzu: „Caplan meint sogar, dass angehende Studenten in Ökonomie-Einführungskursen im Dunkeln gelassen werden sollten über die Annahmen und Einschränkungen, die den orthodoxen ökonomischen Schulweisheiten zugrunde liegen.“ Er empfiehlt Ökonomieprofessoren, ihren Studenten zu sagen: „Ich habe recht, die Leute außerhalb dieses Vorlesungssaals haben unrecht, und Sie wollen doch nicht so sein wie sie, oder?“
Bryan Caplans Ansichten sind zwar extrem. Jonathan Aldred betont: „Aber tatsächlich sind viele Mainstream-Ökonomen frustriert, weil ungeachtet ihres jahrzehntelangen, unermüdlichen Einsatzes, um der Allgemeinheit die grundlegenden Prinzipien der Wirtschaftswissenschaften nahe zu bringen, die Menschen einfach nichts lernen wollen.“ Ganz oben auf der Liste steht gewöhnlich das Prinzip, freier Handel sei besser als Protektionismus. Zahlreiche ernsthafte Ökonomen beklagen sich jedoch darüber, dass die Allgemeinheit die Vorzüge von freiem Handel nicht wahrhaben wolle. Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred
Von Hans Klumbies