Seiner Freiheit kann der Mensch nicht entrinnen. „Wir sind zu ihr verurteilt“, sagt Jean-Paul Sartre. Wenn man sie verleugnet und behauptet, dass man etwas nun einmal tun müsse oder nicht anders konnte, als dieses oder jenes zu tun, dann verleugnet man sich selbst. Ger Groot ergänzt: „Wir machen unser Handeln von etwas anderem abhängig, das uns dazu zwingt und machen uns selbst zu einem Ding.“ Nämlich zu einer Billardkugel, die willenlos fortrollt, wenn sie von einer anderen Billardkugel angestoßen wird. Diese Verleugnung der Freiheit ist unter der Würde des Menschen. Sie ist, sagt Jean-Paul Sartre: „Unaufrichtigkeit.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.
Die Verleugnung der Freiheit ist unmöglich
Und die Verleugnung der Freiheit ist dies umso mehr, weil sie, wie immer man es auch anzustellen versucht, unmöglich ist. Ger Groot erläutert: „Wir sind nun einmal unsere Freiheit, auch in unserem Entschluss, sie zu verleugnen.“ Ein Mensch entscheidet immer selbst, wie er einem Sachzwang, seinem Charakter oder einem Befehl Bedeutung verleiht oder entspricht. „Nein“ zu sagen ist immer möglich, so Jean-Paul Sartre. Und sich zu weigern, „nein“ zu sagen, sei auch eine Entscheidung, sei es auch eine unauthentische.
Simone de Beauvoir schreibt in ihrem Buch „Das andere Geschlecht“: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht.“ Wäre diese Übersetzung korrekt, wäre die Aussage des Satzes ein Paradebeispiel für „Unaufrichtigkeit“. Denn die Frau lässt sich von etwas anderem vorschreiben, was sie ist. Tatsächlich lautet die korrekte Übersetzung: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ Ger Groot erläutert: „Das bedeutet: Eine Frau zu werden ist eine Entscheidungsprozess, der sowohl Authentizität als auch Inauthentizität zulässt.“
Der eigenen Verantwortung kann man sich nicht entziehen
Eine Frau wird auf eine „eigentliche“ Art, was sie ist, indem sie ihrer Geschlechtlichkeit die Bedeutung verleiht, die mit ihrem eigenen Lebensentwurf übereinstimmt. Einer Entscheidung – und damit auch der eigenen Verantwortung dafür, kann man sich nicht entziehen, auch wenn sich das manch einer sehnlichst wünscht. Ger Groot stellt fest: „Denn einerseits konfrontiert mich jede Entscheidung mit der Tatsache, dass ich sie letztlich nicht verantworten kann.“
Denn verwurzelt in der Freiheit, wie sie ist, lässt sich eine Entscheidung nie völlig mit Argumenten untermauern. Dann wäre sie schließlich nicht mehr frei, sondern eine unvermeidliche Folge des eigenen „Seins“. Aderseits legt die Pflicht, sich zu entscheiden, offen, dass man für alles verantwortlich ist. Ja sogar für die ganze Welt, so wie sie ist. Und sogar für das Handeln der Regierung, gegen die man sich offenkundig nicht oder nicht ausreichend zur Wehr gesetzt hat. Quelle: „Und überall Philosophie“ von Ger Groot
Von Hans Klumbies