Carl von Clausewitz, Generalmajor, Heeresreformer und Militärwissenschaftler, prägte im 19. Jahrhundert den Ausspruch: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Er meinte damit – durchaus überzeugende, dass ein Krieg, der nicht endlos sein soll, irgendein politisches oder diplomatisches Ziel benötigt. Doch die Maxime von Carl von Clausewitz wurde im Laufe der Zeit zu der Vorstellung verkehrt, Politik sei eine Form der Kriegsführung mit dem Ziel, den „Feind“ zu besiegen oder gar zu zerstören, selbst wenn dieser nur ein paar Häuser weiter lebt. Ned O’ Gorman weiß: „Der bekannte US-Politikberater Steve Bannon prahlte einmal damit, während der Leitung von Trumps Wahlkampf nie im Fernsehen aufgetreten zu sein.“ Warum? „Weil Politik Krieg ist“, so Steve Bannon gegenüber dem „Wall Street Journal“. Ned O’ Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.
In der Politik geht es um Macht und Einfluss
Dieses Verständnis von Politik ist das logische Ergebnis des weitverbreiteten Glaubens, in der Politik gehe es letztlich darum, wer gewinnt. Nach dem Prinzip „the winner takes it all“ wollen alle natürlich um jeden Preis gewinnen, da jeder sonst zurecht fürchten muss, im wörtlichen oder metaphorischen Sinne im Regen zu stehen. Folglich betrachten sie die Politik als Krieg. Ned O’ Gorman ergänzt: „Die mildere Form dieser Herangehensweise besteht in der Vorstellung, Politik sei letztlich eine Frage von parlamentarischen Taktiken, Palastintrigen oder Wahlmanövern.“
Diese Sichtweise gesteht den anderen Kandidaten das Überleben zu, betrachtet sie jedoch vorrangig als Konkurrenz um Macht und Einfluss. Ned O’ Gorman erklärt: „Diese Konkurrenten müssen ausgebremst, ausgetrickst oder auf andere Weise ausgebremst werden. Viele Mainstream-Politiker, Politikberater und politische Insider stellen Politik auf diese Weise dar.“ Ihre Herangehensweise ist sehr alt. Sie wurzelt in den Palastintrigen vergangener Monarchien und setzt sich in der Vetternwirtschaft angeblich demokratischer wie explizit autoritärer Regierungen bis heute fort.
In den USA herrscht das Zeitalter der „Kulturkriege“
Dieses Politikverständnis erfasst korrekt, dass Politik stets der Flexibilität und Voraussicht bedarf und häufiger schwierige Verhandlungen, unbequeme Kompromisse und taktische Manöver umfasst. Ned O’ Gorman fügt hinzu: „Doch mit der Einstellung, der siegreichen Partei gehöre alles, wird Politik zum Kalten Krieg, zum bipolaren Konflikt, in dem jeder, der nicht für mich ist, automatisch als mein Gegner wahrgenommen wird. Diese verzerrten Politikbilder teilen letztlich die Annahme, dass wir Feinde sind, ehe wir provisorisch zu Freunden werden können.
Sie unterstellen auch eine Ressourcenknappheit und nehmen an, dass nur einige die zur Verfügung stehenden Güter bekommen werden, viele dagegen nicht. Ned O’ Gorman stellt fest: „Das führt wie selbstverständlich zur Ausübung von Macht und Manipulation mit dem Ziel, sich selbst oder der eigenen Gruppe die knappen Güter zu sichern. Somit enden wir alle als Sieger oder Opfer des Kriegs.“ In den Vereinigten Staaten ist man heute, im Zeitalter der „Kulturkriege“, an genau diesem Punkt angekommen. Quelle: „Politik für alle“ von Ned O’ Gorman
Von Hans Klumbies