Der Kapitalismus hat das Leben unendlich viel besser gemacht

Der Demokratie wird unter anderem Zukunftsunfähigkeit vorgeworfen, aufgrund ihrer Wahlzyklen könne sie nicht über fünf Jahre hinausdenken, so heißt es. Florence Gaub ergänzt: „Auch das kapitalistische Wachstumsversprechen, das andere Hauptmerkmal unserer alten Zukunft, steht in der Kritik. In weltweiten Umfragen stimmten 52 Prozent der Menschen der Aussage zu, dass „der Kapitalismus mehr schadet als nützt“, unter anderem, weil er als Hauptverursacher des Klimawandels angesehen wir und das Versprechen von Wohlstand für alle nicht ganz eingelöst hat.“ Diese Unzufriedenheit mit der Demokratie als auch mit dem Kapitalismus mag ein bisschen ungerecht sein, denn beide haben vieles erreicht und das Leben unendlich viel besser gemacht als das unserer Vorfahren. Dr. Florence Gaub ist Politikwissenschaftlerin, Militärstrategin und Zukunftsforscherin. Sie leitet als Direktorin den Forschungsbereich NATO Defense College in Rom.

Die Angst vor der Zukunft scheint ein westliches Problem zu sein

Aber nicht die Vergangenheit ist das Problem, sondern die Zukunft. Florence Gaub stellt fest: „Angesichts der doppelten Herausforderung einer negativen Zukunft und der Leere in einer positiven Gegenzukunft ist es vielleicht nicht überraschend, dass viele Menschen darüber zutiefst unglücklich sind, vor allem junge.“ 86 Prozent der jungen Deutschen sorgen sich um die Zukunft, nicht so sehr um die eigene, sondern um die der Welt. Wenn Wissenschaftler wie der Astronom Martin Rees und der Soziologe Ulrich Beck unwissenschaftlich unken, die Menschheit habe für die nächsten hundert Jahre eine Überlebensrate von lediglich 50 Prozent, gießt das nur noch mehr Öl ins Feuer.

Das Endergebnis ist, dass der Kassandra-Komplex voll zuschlägt und sich ganze Teile der Gesellschaft von der Zukunft entfremden. Haben also alle Angst vor der Zukunft? Florence Gaub antwortet: „Nicht ganz. Sie scheint vor allem ein westliches Problem zu sein. In weiten Teilen der Welt sind die Menschen grundsätzlich optimistisch, dass es ihren Kindern besser gehen wird als ihnen und dass sich ihr Land in die richtige Richtung entwickelt.“ Besonders hoch sind diese Zahlen bei jüngeren Frauen und Männern.

China und Saudi-Arabien weisen hohe Optimismusraten auf

Man könnte nun sagen, dass dieser Optimismus das Ergebnis des offenen Möglichkeitsraums ist: Gerade dort, wo es den Menschen wirtschaftlich weniger gut geht, gibt es noch Luft nach oben, daher sind sie optimistisch. Florence Gaub fügt hinzu: „In westlichen Ländern gibt es nicht mehr viel zu verbessern, was soll also noch erstrebt werden? Das verkennt freilich, wovon Menschen träumen, denn nicht alle geraten nur von wachsenden Wirtschaftsraten in Zukunftsekstase.“

China und Saudi-Arabien weisen in Umfragen regelmäßig Optimismusraten von 80 Prozent beziehungsweise 75 Prozent auf und deren Einkommensniveau ist mit dem Europas vergleichbar. Florence Gaub betont: „Dieser Optimismus ist nicht das Ergebnis der Hoffnung auf noch mehr Wohlstand, sondern weil beide Regierungen die ferne Zukunft zu positiven Eckpfeilern ihrer Politik gemacht haben.“ Und die Menschen glauben offenbar der politischen Führung – kaufen ihr diese Zukunft ab. Quelle: „Zukunft“ von Florence Gaub

Von Hans Klumbies