Seamus Heaney erhielt 1995 den Nobelpreis für Literatur

Der Nordirland-Konflikt prägte die Stimmung seiner Gedichte, die Landschaft und Geschichte kongenial miteinander verbanden. Am vergangenen Freitag ist der irische Dichter und Nobelpreisträger Seamus Heaney in Dublin gestorben. Eines seiner großartigen Gedichte heißt „Sturm auf der Insel“. Auf den ersten Blick scheint es ein ländliches Stimmungsbild zu sein, das Seamus Heaney mit leichter Hand auf das Papier getupft hat. Doch in die Szenerie der Landschaft mischen sich historische und politische Spuren: „Wir halten einfach still, während der Wind / Unsichtbar Stuka spielt. Der Raum ist ein Inferno, / Die Atmosphäre ein einziger Bombenteppich.“ Für Seamus Heaney stand am Anfang allen Schreibens der Blick auf die Erscheinungen der Welt. Der Dichter hegte dabei keine Vorurteile, war selbstlos und neugierig. Für gegeben hielt er gar nichts.

Die Gedichte von Seamus Heaney sind klar und verständlich

Den Stoff für seine Gedichte fand Seamus Heaney in den kleinsten Dingen, Veränderungen und Bewegungen. Seine Verse sind voller Mitgefühl für die Welt und ihre Erscheinungen. Der Dichter liebte es in seinen Versen zu erzählen. Seine Gedichte sind klar und verständlich, umfassen aber gleichwohl die Brüche der Welt und erst recht das Wissen um den Tod. Bei aller Liebe zu den große Fragen des Seins, gehörte es zu der Kunst von Seamus Heaney, seine Verse frei von schweren Begriffen zu halten.

Noch das kleinste Lebewesen ist in den Gedichten von Seamus Heaney sinnlich wahrnehmbar. Seine Verse arbeiten mit Perspektiven, Rhythmus und kaum vernehmbaren Tönen. Selbst die Luft ist in seinen Gedichten lebendig und scheint zu atmen. Die Landschaft mit ihren Tieren und Pflanzen holte er in einzigartiger Weise in sein Werk: „Als Franz die Liebe predigte den Vögeln, / Lauschten sie, flatterten, flogen auf und rund / Ins Blaue wie ein Schwarm Vokabeln.“ Oft sind es auch die Bäume, die Moore und Küsten Irlands, die Seamus Heaney in seinen Werken zum Leben erweckt.

Ein Gedicht kann eine Ordnung herstellen

Seamus Heaney wurde 1939 in Castledawson, einem kleinen Ort westlich von Belfast, geboren. Als eine Art des Lebens in einer Höhle hat der Dichter die Enge in dem strohbedeckten Bauernhaus einmal beschrieben: „Es war eine intime, körperliche, kreatürliche Existenz, in der die nächtlichen Geräusche des Pferdes sich mit den Geräuschen der Unterhaltung Erwachsener mischten. Wir nahmen natürlich alles wahr, was geschah.“ Seine Texte sind keine Gelehrtenliteratur, sondern beschäftigen sich immer wieder mit den politischen Verwerfungen und der Geschichte Irlands.

In seinem Werk tastete Seamus Heaney dem Zusammenhang von Kultur und Politik nach. Er vertrat die Überzeugung: „Wer staatliche Institutionen zerstört, der droht auch das Kulturleben zu zerstören.“ In seinen Gedichten schrieb er auch immer gegen ein Vergessen der Tradition an. Seamus Heaney glaubte auch fest daran, dass ein Gedicht eine Ordnung herstellen kann, die tief in die Kindheit zurückgreift. Er erklärt: „Das Gedicht erzeugt eine Ordnung, die die Einwirkung der äußeren Realität wahrheitsgetreu wiedergibt und empfindlich ist für die inneren Gesetze des Seins des Dichters.“

Von Hans Klumbies