Der Antihumanismus mahnt die Menschen, nicht naiv zu sein und macht ihnen klar, dass sie und ihre Mitmenschen jederzeit etwas Dummes oder Böses tun können. Er zwingt den Humanismus dazu, sich immer wieder zu rechtfertigen. Sarah Bakewell fügt hinzu: „Der Humanismus wiederum ermahnt uns, die Aufgaben unserer gegenwärtigen Welt nicht zugunsten des Traums von einem Paradies auf Erden oder anderswo zu vernachlässigen. Er hilft uns, den verführerischen Versprechen von Extremisten zu widerstehen, und bewahrt uns vor der Verzweiflung, in die uns eine obsessive Beschäftigung mit unseren Defiziten stürzen kann.“ Er bewahrt die Menschen vor einem Defätismus, der alle Probleme auf Gott, die Biologie oder historische Unausweichlichkeit schiebt. Sarah Bakewell lebt als Schriftstellerin in London, wo sie Creative Writing an der City University lehrt und für den National Trust seltene Bücher katalogisiert.
Sarah Bakewell ist meistens Humanistin
Der Humanismus erinnert die Menschen daran, dass sie für das verantwortlich sind, was sie aus ihrem Leben machen, und drängt sie, ihre Aufmerksamkeit auf die irdischen Herausforderungen und ihr gemeinsames Wohlergehen zu richten. Dennoch ist Sarah Bakewell meistens Humanistin und glaubt, dass der Humanismus die bessere Fahne schwenkt. Sie sagt das jedoch mit Bedacht, denn Humanisten sind von Natur aus nur selten Fahnenschwenker.
Aber wenn sie etwas auf ein Fahne schreiben, können es drei Prinzipien sein: freies Denken, Forschung und Hoffnung. Sarah Bakewell ergänzt: „Je nach Spielart des Humanismus, die man vertritt, nehmen sie unterschiedliche Ausprägungen an – für einen Geisteswissenschaftler bedeutet „Forschung“ etwas anderes als für den Verfechter einer nichtreligiösen Ethik –, doch in den vielen humanistischen Geschichten tauchen alle diese Ausprägungen immer wieder auf.“
Die Prinzipien des Humanismus braucht man heute mehr denn je
Freies Denken: weil Humanisten oft als Leitprinzip ihres Lebens lieber ihr moralisches Gewissen, die Beweiskraft der Evidenz oder ihre soziale und politische Verantwortung für andere wählen und nicht Dogmen, die sich nur auf Autoritäten berufen können. Und Hoffnung: weil Humanisten überzeugt sind, dass es – trotz all der Defizite der Menschen während ihres kurzen Daseins auf der Erde – menschenmöglich ist, etwas Sinnvolles zu schaffen. Sei es in der Literatur und Kunst, in der historischen Forschung, in der Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnis oder in der Verbesserung des Wohlergehens der Menschen und anderer Lebewesen.
Während Sarah Bakewell an dem Buch „Wie man Mensch wird“ schrieb, haben sich in der Welt düstere Entwicklungen vollzogen. Sarah Bakewell erläutert: „Nationalistische und populistische Führer sind auf dem Vormarsch, die Kriegstrommeln werden gerührt, und es fällt schwer, nicht an unser menschlichen und planetarischen Zukunft zu verzweifeln.“ Dennoch hält Sarah Bakewell daran fest, dass diese Entwicklungen die Menschen nicht dazu bringen sollten, das freie Denken, die Forschung oder die Hoffnung aufzugeben, im Gegenteil. All dies brauchen wir mehr denn je. Quelle: „Wie man Mensch wird“ von Sarah Bakewell
Von Hans Klumbies