Der Grat zwischen Macht und Machtmissbrauch ist sehr schmal

Die meisten Bürger, die Politiker und Wirtschaftsmanager für korrupt halten, finden in der Tat für diese Einschätzung fast täglich in den Medien eine Bestätigung. Michael Schmitz, der Psychologie und Management an der Lauder Business School in Wien lehrt, weist als Beispiel auf den Fall des Politikers Stefan Mappus hin, der sich mit einem großen Coup als Ministerpräsident von Baden-Württemberg an der Macht halten wollte. Er pokerte dabei um den Rückkauf von Anteilen am Energieunternehmen EnBW, ohne die vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsprüfung anzuordnen. Er verspekulierte sich – für 800 Millionen Euro muss jetzt der Steuerzahler aufkommen. Als zweites Beispiel nennt Michael Schmitz den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der zurücktreten musste, als bekannt wurde, dass er Sonderkredite zur Finanzierung seines Privathauses angenommen hatte.

Bestechung ist in der Wirtschaft gängige Praxis

Altbundeskanzler Helmut Kohl füllte durch Zuwendungen anonymer Spender die Parteikassen der CDU mit Millionensummen. Michael Schmitz schreibt: „Sie verschafften ihm das ersehnte Bimbes, mit dem er sich in der Partei Loyalität erkaufte. Bis heute weigert sich der Altkanzler, seine Finanziers zu benennen.“ Die moderne Variante der Geldbeschaffung heißt bei den Parteien heute „Sponsoring“. Damit kassieren sie laut Michael Schmitz ebenfalls Millionen.

Mit dem sogenannten „Sponsoring“ erkaufen sich die zahlenden Firmen auf Parteiveranstaltungen den Zugang zur Macht. Die Kosten für diese Nähe zur Politik können sie laut Michael Schmitz sogar von der Steuer absetzen. Er fügt hinzu: „Öffentlich beschwören Wirtschaftsbosse Anstand. Doch Bestechung ist gängige Praxis.“ Michael Schmitz zitiert den englischen Historiker und Politiker Lord Acton, der schon im 19. Jahrhundert zu folgender Erkenntnis gelangte: „Macht führt zu Korruption, und absolute Macht korrumpiert völlig.“

Mächtige sind gute Lügner und kennen keine Moral

Die Beziehung zwischen Macht und Machtmissbrauch ist für Michael Schmitz sehr eng. Er ist davon überzeugt, dass die Macht selbst diejenigen Menschen verändert, die mit den besten Absichten nach ihr greifen. Michael Schmitz glaubt folgende Tendenz zu erkennen: „Mächtige setzen sich über moralische Bedenken leichter hinweg. Sie sind die besseren Lügner, geraten dabei weniger in innere Konflikte und empfinden keinen Stress.“ Wer Macht besitzt gerät auch leicht in Versuchung, andere Menschen in seinem Sinne zu manipulieren.

Mächtige werten die Leistungen ihrer Mitmenschen schnell ab und sind davon überzeugt, übergroße Anteile an Erfolgen beizutragen. Sie sehen in ihren Mitbürgern bevorzugt Objekte, anhand derer sie ihre persönlichen Interessen verfolgen. Michael Schmitz fügt hinzu: „Die eigene Meinung zählt für sie generell mehr als die Meinung anderer. Mächtige empfinden weniger Mitgefühl. Oft hören sie gar nicht richtig hin. Eigene Ansprüche und Bedürfnisse gelten rasch als selbstverständlich und genießen Vorrang.“

Von Hans Klumbies