Heute lebt die Menschheit in einer von ihr geschaffenen Umwelt und Kultur, die mit nichts im Tierreich zu vergleichen ist. Matthias Glaubrecht betont: „Ohne Frage ist es höchst beachtlich, was dieses Zoon politikon mit seinem biologischem Vermächtnis von Konflikt und Kooperation, sozialer Intelligenz samt Trug und Täuschung geschaffen und aufgebaut hat.“ Nicht vergessen darf man indes, gerade wenn man die Kooperation hervorhebt, dass jedes einzelne Individuum nur einen Bruchteil dessen beherrscht, was zu dieser Kulturleistung nötig ist. Der Einzelne ist heute ohne die anderen nicht überlebensfähig. Vielfach 12wissen Menschen nicht einmal mehr, wie sie sich in der modernen, hoch technisierten Welt auf sich allein gestellt Nahrung beschaffen sollten. Auf Gedeih und Verderb sind sie mehr denn je auf Kooperation und immer komplexere Formen des Miteinanders angewiesen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.
Der Verlust der Artenvielfalt lässt es einsamer um den Menschen werden
Eine kurze Geschichte der Menschheit ist inzwischen mehrfach geschrieben worden. Sie lässt sich von Matthias Glaubrecht in seinem Buch „Das Ende der Evolution“ noch kürzer erzählen, denn ihn interessiert dabei in erster Linie die Frage, was den Homo sapiens zu einer derart erfolgreichen Spezies macht und zudem als einzige der verschiedenen früheren Menschenformen überleben ließ. Matthias Glaubrecht schreibt: „Wir sind eine Art, die sich selbst als etwas Besonderes ansieht, dass sie von sich lange als der Krone der Schöpfung sprach, die sich für weise – sapiens – hält; und die neuerdings sogar ein ganzes Erdzeitalter, das Anthropozän, nach sich benennt.“
Der amerikanische Biologe Edward O. Wilson hat als Alternative zu der sogenannten Menschenzeit vorgeschlagen, stattdessen besser vom „Eremozän“ zu sprechen – dem Zeitalter der eremitischen Einsamkeit. Matthias Glaubrecht weiß: „Er meinte dies vor allem mit Blick auf die drohenden Verluste der Artenvielfalt auf der Erde insgesamt, die es zunehmend einsamer um den Menschen werden lässt.“ Vieles deutet auch darauf hin, dass der Werdegang des Homo sapiens als Art begleitet ist vom Aussterben anderer Menschenformen.
Der Homo sapiens hat alle anderen Menschenformen überlebt
Der Homo sapiens ist der einzige Überlebende jener einst breit mäandrierenden Stammeslinie, die sich schließlich aus Afrika über die Welt ergoss, aus der alle anderen Menschenformen dann verschwanden. Matthias Glaubrecht erläutert: „Während Homo erectus unterging, hat Homo sapiens überlebt. Während der Neandertaler ausstarb, haben wir uns durchgesetzt.“ Es war schließlich kein Naturgesetz, das garantierte, dass Homo sapiens als einzige Menschenform überlebt und sich durchsetzte.
Bis heute gibt es für dieses Rätsel, was den Homo sapiens so besonders macht, nicht wirklich eine Auflösung. Matthias Glaubrecht erklärt: „Auf die Frage nach unserem Evolutionserfolg gibt es auch deshalb keine einfachen Antworten, weil sich kein singulärer Faktor benennen lässt, der alles erklärt. Lieber sprechen einige Forscher inzwischen von einer Art Anpassungspaket, einem sogenannten „adaptiven Merkmalskomplex“, der den Menschen von sämtlichen anderen Tieren unterscheidet, einschließlich seiner nächsten Verwandten.“ Quelle: „Das Ende der Evolution“ von Matthias Glaubrecht
Von Hans Klumbies