Viele Menschen sind von der Sünde fasziniert

Viele Menschen begehen unentwegt kleine moralische Verfehlungen, die Ausdruck einer tief verwurzelten Selbstgefälligkeit ist. Die Neigung zu verwerflicher Leidenschaft, zur Sünde steht im Zentrum der menschlichen Persönlichkeit. Die Menschen sündigen nicht nur, sie sind auch in absonderlicher Weise von der Sünde fasziniert. David Brook nennt ein Beispiel: „Wenn wir hören, dass ein Prominenter in einen empörenden Skandal verwickelt ist, sind wir irgendwie enttäuscht, wenn sich herausstellt, dass das Gerücht falsch ist.“ Und wenn man brave Kinder sich selbst überlässt, dauert es meist nicht lange, bis sie für Scherereien sorgen. Selbst an sich positive zwischen menschliche Verbindungen wie Kameradschaft und Freundschaft können verfälscht werden, wenn sie nicht an ein höheres Ziel gebunden sind. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

Der menschliche Geist erstreckt sich in der Ewigkeit

Oft ist es der Wunsch nach Kameradschaft und nach gegenseitiger Anerkennung, der Menschen zu einer Missetat anstachelt. David Brooks erklärt: „Wir fürchten so sehr, aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden, dass wir bereit sind, Dinge zu tun, die wir unter anderen Umständen als gewissenlos brandmarken würden. Wenn sich Gemeinschaften keinen höheren Zielen verpflichtet fühlen, können sie barbarischer sein als Individuen.“ Auf der anderen Seite genügt sich die menschliche Seele nicht sich selbst, sondern streckt sich nach Unendlichkeit aus.

So findet zum Beispiel Augustinus in seinem Innern nicht nur Verdorbenheit, sondern auch Anzeichen von Vollkommenheit und Intuitionen der Transzendenz. Er entdeckt Gefühle, Gedanken und Empfindungen, die über das Endliche hinaus in eine andere Welt reichen. Seine Gedanken durchdrangen erst die materielle Welt und nahmen sie in sich auf, stiegen dann aber weiter empor und überwanden sie. Augustinus wurde durch die Erforschung seines Gedächtnisses zu der Einsicht geführt, dass sich der menschliche Geist in seinen Tiefen und Höhen in der Ewigkeit erstreckt.

Der Mensch will ein tugendhaftes und sinnerfülltes Leben führen

Diese vertikale Dimension ist für das Verständnis des Menschen wichtiger als lediglich seine rationale Fähigkeit zu abstrakter Bildung von Begriffen. Der Weg nach innen führt nach oben. David Brooks erläutert: „Ein Mensch vertieft sich in sich selbst, stellt dort aber fest, dass er auf die Unendlichkeit Gottes ausgerichtet ist. Sogar in seinem eigenen Bewusstsein, einem winzigen Teil der Schöpfung, spürt er die Natur Gottes und seiner ewigen Schöpfung.“ C. S. Lewis äußerte sich in einem ähnlichen Sinne wie folgt: „Selbst in der tiefsten Einsamkeit, gibt es eine Straße, die direkt aus dem Selbst hinausführt.“

Alle Menschen werden innerhalb dieser ewigen objektiven Ordnung geformt. Das Leben lässt sich nicht individuell, losgelöst davon verstehen. Die Sünde scheint sich als eine Konstante, die ihren Ursprung in ferner Vergangenheit hat, durch die menschliche Natur und jedes Individuum durchzuziehen. Gleichzeitig ist die Sehnsucht nach Heiligkeit, das Emporstreben, der Wunsch, ein tugendhaftes und sinnerfülltes Leben zu führen, ebenso universell. Folglich kann sich der Mensch nur dann selbst verstehen, wenn er sich Kräften zuwendet, die ihn übersteigen. Quelle: „Charakter“ von David Brooks

Von Hans Klumbies