Das Wesen der Natur hat ihre eigenen Prinzipien

Francis Bacons Schriften zeigen ihn als einen Mann, der zwischen zwei intellektuellen Kulturen und zwei Zeiten stand. Philipp Blom erklärt: „Als Junge in Cambridge war er nach dem mittelalterlichen Curriculum erzogen worden und als Erwachsener nahm er an Hexenprozessen teil. Er war aber auch einer der weitsichtigsten Kritiker seiner eigenen Zeit und formulierte Prinzipien des wissenschaftlichen Denkens und Handelns, die über Jahrhunderte kritisiert und weitergedacht, nie aber ersetzt wurden.“ Der Jurist und Politiker Francis Bacon dachte produktiv im Gespräch oder in Korrespondenzen mit anderen, unter ihnen der italienische Denker Bernardino Telesio (1509 – 1588). Dieser hatte in seinem Wert „De rerum natura iuxta propria principia – Vom Wesen der Natur nach ihren eigenen Prinzipien, 1565 – eine revolutionäre Theorie über die Natur vorgeschlagen hatte. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford. Er lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Wärme und Materie wirken in der Natur

Philipp Blom erläutert: „Telesio behauptete, dass die natürliche Welt nicht nach der Bibel oder nach aristotelischen Theorien verstanden werden konnte, sondern dass alles Geschehen in der Natur nur aus sich selbst heraus verständlich wird, aus der vorurteilslosen Beobachtung.“ Die Welt habe genug unter grundlosen philosophischen Spekulationen gelitten. Diese Beobachtung, schrieb der Italiener, hatte ihn davon überzeugt, dass nur zwei Prinzipien in der Natur wirkten: Wärme und Materie.

Die aktive, lebendige Wärme kam von der Sonne, die Materie von der kalten und leblosen Erde und alle Veränderung entstand aus Ausdehnung und Kontraktion, Erwärmung und Abkühlung, Erregung und Beruhigung. Philipp Blom ergänzt: „Nicht nur die Lebewesen, alle Dinge in der Natur spüren, ob sie Kälte oder Wärme brauchen, um sich zu entfalten, alle Teile in der Natur sind zu Wahrnehmungen fähig und handeln nach ihren spezifischen Gesetzen.“ Diese Gesetze zu verstehen heißt, die Natur selbst zu entschlüsseln.

Die Natur war ein Organismus voller kreativer Veränderung

Diese Natur aber offenbart sich als eine Art lebendes Wesen, das im Spiel zwischen Hitze und Kälte, Erde und Sonne atmet, wächst und stirbt und sich nach seinen eigenen Gesetzen immer weiter anpasst und verändert. Philipp Blom stellt fest: „Bernardino Telesios recht einfach gestrickte Theorie der Natur zwischen Materie und Wärme enthält deutliche Anleihen an die antike Zwei-Substanzen-Lehre und die theologische Idee einer passiven, kalten Erde.“

In dieser Hinsicht ist sie nicht besonders originell. Seine Methode war aber so riskant wie revolutionär: Sie erklärte die Natur ausschließlich aus sich selbst heraus und brauchte keinen Gottesbezug. Philipp Blom fügt hinzu: „Die Natur war mehr als ein leerer Ort, der darauf wartete, von Menschen mit Sinn und Aktivität gefüllt zu werden. Sie war ein Organismus, von einer Art Bewusstsein durchdrungen, voller kreativer Veränderung und gehorchte nur sich selbst.“ Quelle: „Die Unterwerfung“ von Philipp Blom

Von Hans Klumbies